Das Gute geht, der Schrott bleibt.

Es gibt eine alte und bewährte Herstellerregel: Immer, wenn ein Produkt richtig gut ist, ausgereift, durchdacht, zuverlässig und beliebt – dann muss man es umgehend aus dem Programm nehmen. Jeansmodelle, Lippenstiftfarben, Cremes, Putzmittel, Software – always change a winning product. Ich bin sicher, es ist einfach nur gut gemeint und die Anbieter möchten uns im Fluss halten, flexibel im Geiste und nicht etwa zu eingefahren. Ich denke, man möchte uns Konsumenten mit der Vergänglichkeit konfrontieren, auf dass wir die begrenzte Zeit mit gut funktionierenden Produkten intensiv genießen, bevor uns wieder eine lange Reihe von Fehlkäufen bevorsteht. All das gilt natürlich auch für Hundeprodukte. Wenn irgendwo “Neue Rezeptur!” draufsteht, wissen Hundemenschen: Jetzt ist sie vorbei, die schöne gemeinsame Zeit mit dem Produkt. Manchmal steht auch gar nichts drauf, weil das ganze Dings grußlos vom Markt verschwunden ist. Wir hatten einen tollen Augenreiniger, jahrelang. Paninis Augen neigen zum Tränen und ich reinige ihr jeden Abend die Augenumgebung. Man kann das natürlich mit lauwarmem Wasser tun, aber ein guter Augenreiniger ist etwas wirkungsvoller. Er dämmt Bakterien ein und verhindert, dass die Tränenstraßen allzu markant werden. Es gibt viele Hundeprodukte, die dafür gedacht sind und die meisten sind totaler Mist. Sie enthalten garstige Inhaltsstoffe oder Öle, die Verfärbungen im gesamten Areal verteilen. Oder es ist einfach nur teures Wasser mit Hokuspokus drin. Winzige Fläschchen kosten zwischen 6 und 19 Euro. Fehlkäufe machen überhaupt keine Freude. Aber alles Jammern und Heulen hilft nichts – das verschwundene Produkt kommt nicht zurück. Nun kaufe ich einen halbwegs guten Ersatz in einem viel zu kleinen Fläschchen.

Der verschwundene Mantel

Zum nicht enden wollenden Kopfschütteln trieb mich auch eine Marke, die, man darf es so sagen, den mit Abstand besten Übergangshundemantel anbot, den man sich überhaupt nur vorstellen kann. Ich habe 12 Semester Hundemantel studiert und weiß, wovon ich spreche. Der besagte Hundemantel ist in Wahrheit eher ein Hundepullover, aber im Gegensatz zu diesem muss er nicht über den Kopf gezogen werden. Er hat keinen nervigen Klettverschluss, sondern einen Reißverschluss, der im Rücken geschlossen wird. Das bedeutet, dass der Hund einfach nur seine Pfoten in den auf dem Boden liegenden Mantel stellen muss und schwupp, ist er angezogen. Er ist schön lang und sitzt auch ohne Beinschlaufen perfekt. Er ist aus Fleece, das nicht ausleiert, weil es außen eine Strickstruktur hat, innen ist es schön weich, also auch für Hunde mit Fellverlust oder nach OPs geeignet. Er ist so bequem, dass ihn alte oder empfindliche Hunde auch als Schlafanzug tragen können, wenn Mensch mal wieder Heizkosten sparen will oder Frischluftfanatiker ist. Er trägt nicht auf, so dass man ein Geschirr problemlos drüberziehen kann. Es gab ihn für ganz kleine Hunde mit Rückenlänge 27 Zentimeter und riesige mit 70 Zentimeter. Und alle sehen damit großartig aus. In ganz normalen Farben wie dunkelblau, grau, orange. Und nicht einmal teuer. Panini besitzt zwei dieser It-Pieces und ich habe das Ding unzählige Male empfohlen. Zuletzt erfolglos, denn es verschwand. Einfach so. Und nein, kein anderer Hersteller hat etwas Vergleichbares, was alle Vorteile bieten kann. Wenn wir uns begegnen – wir, die Besitzer dieser kostbaren Hunde-Couture – dann nicken wir einander wissend zu. Es ist uns gelungen aus der Flut teuren Schrotts etwas Gutes zu fischen, gerade noch rechtzeitig.

Das Stärkungsmittel macht mich schwach

Ich kann von einem weiteren Hundeprodukt berichten, das es zwar noch gibt, was aber in die Abteilung “geänderte Rezeptur” gehört. Es handelt sich dabei – ganz grob beschrieben – um ein Stärkungsmittel mit hoher Bioverfügbarkeit, weil flüssig. Vor dem Erwerb von 500 ml des Elixiers muss man Omas goldene Uhr verkaufen und das Akkordeon verpfänden, aber hey – wenn’s dem Hund guttut? Seit neuestem enthält die Rezeptur Grünlippmuschel, eine Art Sarah Wagenknecht der Futterergänzungen. Man kann ihr nicht entkommen. In sämtlichen Senioren-Produkten findet sich Grünlippmuschel und natürlich auch in solchen für den Bewegungsapparat. Ich habe nichts gegen grünlippige Muscheln. Aber wer sie benötigt, bekommt in der Regel leicht reichlich davon. So auch mein Hund. Jetzt ist das Muschelgelumpe auch noch in diesem Stärkungsmittel, was das ehemals flüssige Produkt pastös macht. Der Drehverschluss ist nun immer krustig verklebt und das Produkt neigt schneller zum Verderb. Aber Hauptsache Grünlippmuschel.

Mit frischem Atem ins Jenseits

Nicht immer ist eine Rezepturänderung ein Schaden, das muss ich zugeben. Mit großer Verblüffung fand ich vor einiger Zeit mal einen Trinkwasserzusatz für Hunde, der Bakterien in der Maulhöhle mithilfe von Xylit eindämmen sollte. Im erläuternden Text wurde die Wirkung von Xylit auch für Hunde gelobt: “Vet aquadent erzielt seine Wirkung durch Xylitol. Xylitol reduziert die Vermehrung geruchsbildender Bakterien und Bakterienabbauprodukte. Darüber hinaus bindet es die im Speichel enthaltenen Kalzium- und Phosphat-Ionen und verringert dadurch ihre Ablagerung in Form von Zahnstein. Diese Wirkung wird z. B. in karieshemmenden Kaugummis genutzt und hat sich auch bei Tieren bewährt.” Kein Wort über die Gefahren, die von Xylit für Hunde ausgehen. Im Gegenteil: Xylit wird hier derart angepriesen, dass ein unwissender Hundehalter leicht auf die Idee kommen könnte, es handele sich um einen nützlichen Stoff, den man am besten täglich der Nahrung zufügt oder mit dem man tolle Hundekekse backen kann. Inzwischen wurde die Rezeptur geändert und Xylit durch Erythrit ersetzt, ein Zuckeraustauschstoff, der bei Hunden nicht toxisch wirkt. Ein guter Move, Firma Virbac, wenn auch ein dringend notwendiger. Ein ähnlich verwegener Hersteller, dessen Xylit-Wasserzusatz noch immer unverändert im Handel erhältlich ist, verweist lapidar darauf, dass die geringe enthaltene Menge vollkommen unschädlich sei. Was bei einer versehentlichen Überdosierung in einem Chihuahua passiert, schreibt er nicht. Um es nochmal deutlich niederzuschreiben: Ab 0,1 Gramm pro Kilo Körpergewicht (also etwa 0,3 Gramm bei einem Chihuahua) kommt es zu einer lebensgefährlichen Unterzuckerung, bei 0,5 Gramm pro Kilo bzw. 1,5 Gramm war’s das für den Chihuahua, seine Leber verabschiedet sich. Immerhin segnet er das Zeitliche dann mit blitzsauberen Zähnen. Apropos Zahnpflege: Was haben Dextrose, Maltodextrin und Honig in Zahnpflegeprodukten zu suchen? Oder überhaupt in Hundeleckerli? Man rauft sich den Schopf. Aber so ist das eben. Rezepturen, die für immer bleiben sollten, verändern sich und solche, die dringend geändert werden müssten, halten sich hartnäckig.

Gelegentlich kann aber ein gut formulierter Wunsch in Richtung Universum trotz allem überraschend Erfolg bringen. Der Hersteller des oben erwähnten Hundemantels hat das gute Stück nach längerer Zeit ganz plötzlich wieder neu aufgelegt. Seit ich das gesehen habe, google ich mindestens einmal im Monat unseren alten Augenreiniger. Wer weiß.