Drinnen

Quarantäne? Bitte nicht nochmal.

5. März 2020
Quarantäne Hund Corona

Zwei meiner Bürokollegen haben die Grippe. Dieser Satz würde vermutlich als einer der langweiligsten und belanglosesten in die Hundebloggeschichte eingehen, würden wir nicht in besonderen Zeiten leben. Denn genau genommen weiß ich nicht, ob es sich um eine echte Influenza handelt, einen harmlosen grippalen Infekt oder das C-Wort. Würde letzteres zutreffen, würden wir vermutlich in Quarantäne kommen, das Tier und ich.

Nach derzeitigem Stand des Wissens kann sich das Tier nicht mit dem eigensinnigen Corona-Virus anstecken und es ist auch selbst nicht ansteckend. Auch wenn in Honkong Hunde von Infizierten angeblich in Quarantäne genommen werden. Hier ist es aber noch nicht so weit. Während ich also das Haus nicht verlassen darf, könnte Panini für mich einkaufen und kleine Besorgungen machen. Leider gehören Supermarkteinkäufe zu den unzähligen Dingen, die versäumt habe, dem Brötchen beizubringen. Also wäre der Hund mir mal wieder auf Gedeih und Verderb ausgeliefert und müsste mit in die Quarantäne. Dabei war es durchaus auch schon mal andersherum.

Panini nach der TPLO

Zuhause bleiben mit dem Hund – das kenn ich schon.

2016 wurde das Tier mit einer TPLO am linken Knie operiert. Dabei wurde ein Knochen durchgesägt und die beiden Enden neu zusammengesetzt. Das war genau so, wie es klingt. Panini war danach ein paar Tage lang ein Pflegefall. Es galt dabei unbedingt zu verhindern, dass sie die OP-Naht einer Haltbarkeitsprüfung unterzieht. Ein Leckschutztrichter – sonst die Maßnahme der Stunde – hält an meinem Hund 2 Minuten. Es gab nur eine Lösung: Panini musste praktisch rund um die Uhr beaufsichtigt werden. Neun Tage lang habe ich die Wohnung nur verlassen, um dem Hund eine Notdurft zu ermöglichen. Nur das, keinen Spaziergang. Kleine Geschäfte landeten im Garten, große auf der Grünfläche vor dem Haus. Der Ausgang dauerte fünf Minuten, dann trug ich sie wieder hoch. Ich nahm keinerlei Termine an. Eigene Hygienemaßnahmen wurden auf das Notwendigste und Schnellste beschränkt, damit ich Panini immer im Auge haben konnte. Nachts lag ich quer am Fußende des Bettes, um mit dem Ohr nah an ihrem Körbchen vor dem Bett zu sein. Erst nach neun Tagen war sie wieder so fit, dass ich sie mit einem Hundebuggy durch die frische Luft fahren konnte. Auf dem nahegelegenen Wochenmarkt kaufte ich an diesem Tag frische Milch und Gemüse. Im Freien konnten wir ja zusammen einkaufen. Es war ein Fest.

Die Bilanz: Drei Kilo mehr.

Der Hausarrest war anstrengend. Schon nach etwa drei Tagen hatte ich begonnen, mich muffig zu fühlen. Mir fehlten Luft und Bewegung, die reale Begegnung mit anderen Menschen. Besuche ergaben sich kaum und nur kurz, wir blieben für uns, der kranke Hund, meine Sorge und ich. Als mir Brot und Milch ausgingen, bestellte ich zum ersten Mal beim REWE Lieferdienst. Der kam und ich fühlte mich plötzlich ungeheuer urban. Aber eigentlich blieben hernach nur eine Masse von Tüten und eine dicke Rechnung zurück. Am Ende hatte ich ein enorm teigiges Körpergefühl und das Bedürfnis, einen Halbmarathon zu laufen. Ich war vor dem Computer verkloppst. Und dabei musste ich nur 9 Tage lang aushalten, dann begannen die Spaziergänge mit dem Buggy, eine erste kleine Zurückeroberung mobilen Lebens. Am 11. Tag wurden dem Hund die Fäden gezogen, ab dem 12. Tag ließ ich sie, wenn auch nur kurz, zum ersten Mal wieder allein.

Hund nach dem Hausarrest

Der Hund hätte genug zu essen. Nur ich halt nicht.

Quarantäne mit Hund, das kennen wir also irgendwie schon. Man schafft das. Das Brötchen hätte auch für zwei Wochen genug zu essen. Das ist ja schon mal wichtig – das wichtigste, wenn es nach ihr ginge. Mit etwas Glück würden auch all ihre magischen Sachen reichen, die sie braucht, ihre Tabletten, Pülverchen, Kauartikel. Und außerdem könnten wir ja online etwas bestellen, nur den Empfang nicht eigenhändig quittieren. Immerhin könnte DHL nicht sagen, wir wären nicht zuhause gewesen. Dennoch wäre es dieses Mal anders als 2016. Denn wie ist es, wenn das Tier munter ist und große Lust verspürt, Spazieren zu gehen? Was, wenn wir nicht einmal mehr vor das Haus gehen dürfen, der Hund große Geschäfte im Garten erledigen soll (was er nicht will)? Was, wenn der REWE Lieferdienst in den nächsten 2 Wochen keinen einzigen Termin frei hat, wie es derzeit der Fall ist? Und was machen überhaupt Menschen mit Hund, die keinen Garten haben? Man kann das Tier ja schlecht hochkant aus dem Fenster halten, damit es pieseln und knötteln kann.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sagt, im Falle einer Quarantäne mit Hund dürfe jemand kommen und den Hund zum Gassi abholen. Der müsse dann eben besondere Hygienemaßnahmen walten lassen. Keinesfalls darf man selbst mit dem Hund Spazierengehen. Nicht nachts, nicht in den Morgenstunden, nie. Wo man jemanden auf die Schnelle herbekommen soll, der den Hund zwei Wochen lang viermal am Tag von einer möglicherweise infizierten Person zum Gassigehen übernimmt, sagt das BML nicht. Sicher, wenn ich heute einen Verkehrsunfall hätte, müsste der Hund auch irgendwohin. Aber dann wäre ich nicht vollkommen munter, willens und kräftens, mit dem Hund spazieren zu gehen.

Vorsicht vor der wundersamen Fernansteckung.

Es gibt Stimmen, die behaupten, all diese Maßnahmen wären übertrieben und nicht hilfreich, Infektionsketten könne man ohnehin nicht mehr unterbrechen. Wieder andere sagen, wir seien vollkommen blauäugig, unsere Maßnahmen unzureichend. Vermutlich ist beides richtig – manches ist übertrieben, manches unzureichend. Für den Laien ist es leider schwer zu erkennen, was nun zu welcher Sorte gehört. Wen sollten wir morgens, sagen wir, um 7 Uhr, anstecken, wenn wir niemandem direkt begegnen (was ein Leichtes wäre)? Und nichts anfassen? Nun gut, die Haustüre würde ich anfassen. Das könnte ich ja aber mit eigens dafür verwendeten Handschuhen machen. In jedem Fall würde ich die Tür zum Garten anfassen, die wiederum von den Leuten der Müllabfuhr berührt wird (oft auch ohne Handschuhe), von allen anderen Hausbewohnern ganz zu schweigen. Kurz gesagt: Korrekterweise und eigentlich müsste ich den Hund komplett weggeben. Für 14 Tage. An irgendjemanden.

Ich habe gründlich über alles nachgedacht. Was ich im Fall des Falles tun würde, sage ich nicht. Am Ende liest noch das Ordnungsamt mit. In jedem Fall hoffe ich, meine Kollegen haben einfach nur den guten alten grippalen Infekt.

 

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12 Comments

  • Reply Claudia Harfst 6. März 2020 at 0:42

    Oje, darüber habe ich noch gar nie nachgedacht. – Panini guckt ja voll süß mit ihren Verbänden aus dem Sessel: mitleidheischend und etwas vorwurfsvoll! Unsere Flora kann das auch. Vor 5 Monaten nach einem Beinbruch. Zum Glück akzeptiert sie Verbände und nagt nicht dran, so hat sie noch nie einen Trichter gebraucht.

    • Reply Heidi 6. März 2020 at 11:22

      Auf diesem Bild war sie noch voll auf Droge 😀 Die Narkose war da noch nicht ganz abgebaut und sie war vollkommen wirr und erschöpft.

  • Reply Katrin 6. März 2020 at 9:01

    Darüber habe ich tatsächlich auch schon nachgedacht. Also wer mit den Hunden spazieren geht, wenn… Und wir waren auch schon in TPLO-Quarantäne – sehr gerne nie wieder.

  • Reply Ines 6. März 2020 at 15:18

    Was mich an die Zeiten der monatelangen Leinenpflicht zur Vogelgrippe erinnert. Alle Hunde waren nur noch am Durchdrehen bei uns in der Gegend, weil sie sonst alle viel Freilauf haben. Ich verrate Dir auch lieber nicht, was Mann und Hund morgens Wald gemacht haben …

  • Reply Socke-nHalterin 6. März 2020 at 17:40

    Hier ist der Cornavirus angekommen und bereits eine Schule geschlossen. Daher hoffe ich sehr, dass ich verschont bleibe. Für Socke sind die Vorräte von Essen und Medizin bis zum Anschlag aufgefüllt. Wir essen nur alle zwei Tage, so dass hier nicht so viel Essen gebraucht wird. Wir haben aber haltbarere Lebensmittel gekauft… Gehortet und gehamstert wird hier aber nicht…

    Sollte der Fall der Fälle eintreten, gehen wir nachts Gassi, wenn niemand unterwegs ist…. Und gearbeitet wird von Zuhause aus. Soweit ist es aber noch nicht…

    Dieses traurige Thema hast Du mal wieder auf amüsante Weise präsentiert.

    Viele liebe Grüße
    Sabine mit Socke

  • Reply Angelika Hoyer 8. März 2020 at 14:35

    Und was erst, wenn der Hund Corona hätte? Liebe Heidi, schon seit zwei Jahren lese ich mit Vergnügen die Geschichten rund ums “Brötchen” und bin immer wieder angetan. Denn so viele nette Hundeblogs gibt es nicht.

  • Reply Ivonne 8. März 2020 at 23:06

    Uns geht es da auch so…wir haben eine alte wanne vom hasenkafig..da ist jetzt Erde drin und Gras wächst…ich kann nur hoffen, das beide es annehmen und dann auf Balkon gehen🙈.
    Tja im Zweifel..ich sag auch lieber nichts dazu😉.

  • Reply Andrea 9. März 2020 at 11:52

    Spannend, dass in Deutschland Bundesliga Spiele noch mit Zuschauern in riesen Stadien stattfinden, aber wenn man in Quarantäne ist soll man nicht mehr mit dem Hund raus…
    Hier in der Schweiz sind ja alle öffentlichen Veranstaltungen über 1’000 Teilnehmern gestrichen, wenn man in Quarantäne sei und einen Hund hat, so darf man laut Gesundheitsamt aber wohl noch mit dem raus – allerdings nur so kurz wie möglich, an der Leine und ohne Kontakt zu anderen Leuten.
    Danke für den Beitrag – und hoffen wir, dass wir alle weiter gesund und munter spazieren gehen dürfen 🙂

    • Reply Heidi 9. März 2020 at 12:12

      Das bei euch ist ja auch der schweizer Virus, der deutsche Virus ist ganz anders, bei dem darf man nicht mehr mit dem Hund raus. 😀
      Das sind natürlich die Dinge, die viele Menschen irritieren. Man will ja die Maßnahmen immer verstehen und trägt gern dazu bei, die Ausbreitung zu verlangsamen und Risikogruppen zu schützen. Aber wenn es allzu lebensfern wird, wächst der Unmut. In einer Doku habe ich den Fall eines Kindes gesehen, das vorsorglich in Quarantäne war. Das Kind durfte nicht in den eingezäunten, mit Büschen umschlossenen Garten des Einfamilienhauses. Die Eltern mussten nicht in Quarantäne, sollten sich dem Kind aber nicht weiter nähern als 2 Meter. Wie soll das denn funktionieren? Das Kind wurde negativ getestet, sollte danach aber weiter vorsorglich in Quarantäne bleiben. Und gleichzeitig werden Menschen anderswo in Deutschland längst nicht mehr getestet, sofern sie nicht irgendwelche passenden Symptome haben oder aus einem Risikogebiet kommen. Gestern liefen mehr als 6.000 Läufer den Frankfurter Halbmarathon. Auf der Strecke wird munter geschnieft, in die Luft geschneuzt und ausgespuckt. Menschen umarmen sich und trinken hinterher Kaffee und essen Obst von einem Buffet. Das ist total verrückt, wenn man es mit anderen Maßnahmen vergleicht.

  • Reply Wolfhart 10. März 2020 at 10:44

    Eine Quarantäne mit Hund wäre bei uns mit 3 Windhunden – trotz Garten – keine Option. Und mal ehrlich, wen sollte ich im Wald bitteschön anstecken? Die Bäume?
    Eben mal aus Neugier recherchiert: in der Grippesaison 2017/2018 gab es allein in Deutschland über 25.000 Todesfälle. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass zu diesem Zeitpunkt Klopapier und Nudeln ausverkauft waren. Offensichtlich wird man ein wenig komisch im Kopf, wenn man von morgens bis abends mit Corona beschallt wird. Verrückte Welt!

  • Reply Paul 10. März 2020 at 13:26

    Oh je wenn in Frankfurt eine Quarantäne verhängt wird wird’s eng. Ich wüsste garnicht wie das funktionieren sollte.
    Die Hundewiese an der Buga nur noch mit 5 Meter abstand zu anderen und Hunde dürfen sich gegenseitig nicht beschnuppern?

  • Reply Miriam 16. März 2020 at 11:12

    Mit den Hunden würde es ja noch irgendwie gehen, die kann ich in den Garten lassen. Aber wer füttert und tränkt meine Pferde im Garten? Sollen die dann verhungern?
    Irgendwie ist das alles komplett verrückt.
    Liebe Grüße
    Miriam

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