Draußen Drinnen

Panini-Album 2017-2019

20. Januar 2024

Zweieinhalb Wochen bin ich nun ohne das Brötchen. Den Äußerlichkeiten nach zumindest. In Wirklichkeit begleitet sie mich bei jedem Schritt. Die Hundebetten stehen noch immer an ihrem Platz. Ich habe wieder begonnen, zu arbeiten und versuche mich am Alltag. Ohne Gassi, ohne die Zubereitung von Mahlzeiten für sie, ohne, dass sie mich ans Zubettgehen erinnert. Wobei das nicht ganz stimmt – ich führe mich inzwischen jeden Mittag selbst zum Gassi aus und nehme sie im Herzen mit. Es ist die wohltuendste und wichtigste Stunde des Tages. Voller Triumph gehe ich dann mit ihr in den Park, in den sie zu Lebzeiten nie gehen durfte, weil dort Hundeverbot herrscht. “Wenn ihr wüsstet!” denke ich dann. “Ich habe sehr wohl einen Hund dabei, ätsch!” Und ich sehe mir immer wieder viele Fotos an, für das Panini-Album und auch sonst. Selbst in der Rückschau macht sie mir Freude, das Glück, sie bei mir gehabt zu haben, erfüllt mich beim Ansehen der vielen unspektakulären alltäglichen Szenen. Manches hatte ich auch anders, oder gar nicht mehr in Erinnerung.

2017

In meiner Vorstellung war 2017 ein gutes Jahr für Panini. Das liegt vielleicht daran, dass der Abschnitt für das Jahr in Paninis überreich gefülltem Tierarztordner vergleichsweise dünn ist. Als ich aber einige meiner alten Mails aus 2017 las, stellte ich fest, dass das gar nicht stimmt. Auch damals hatten wir einige sehr problematische Monate. Wir sind nur nicht so oft zum Arzt gefahren. 2017 war ein wirtschaftliches Katastrophenjahr für mich und ich war oft verzweifelt, weil ich ihr die beste medizinische Versorgung bieten wollte. Und ich konnte auch nicht aufhören, Dinge für sie anzuschaffen. Sie hatte unzählige Hundemäntel und es sollte ihr nie an irgendetwas fehlen. Wir haben auf Rohfütterung umgestellt und sie bekam überwiegend Biofleisch – allerdings nicht nur ihretwegen. Sie liebte es über alles, Lammrippchen zu zerknurpsen, es war ein Fest, ihr dabei zuzusehen. Wir kauften einen Fahrradanhänger und vergrößerten unseren Aktionsradius. Sie mochte es gern, durch die Landschaft zu sausen, bekam aber schnell eine Bindehautentzündung. Sofort wurde eine Hundebrille angeschafft, aber so richtig oft zum Einsatz kam sie dann doch nicht.

Eine chronische Sehnenreizung machte ihr zu schaffen und so ging sie zum vorsichtigen Muskelaufbau auf das Wasserlaufband. Außerdem ließ ich eine alte Narbe mithilfe von Blutegeln behandeln, was ihr sehr gut tat. Das vollkommen verhärtete und verklebte Gewebe an der Achillessehne wurde wieder weich. Panini entdeckte ihre Leidenschaft für Fallobst – selbst im Schnee fand sie noch alte Äpfel oder Birnen und zerkaute sie mit Begeisterung. Auch mehrfach gefrorene und wieder aufgetaute Exemplare wurden bestens vertragen. Versteh einer die Hundeverdauung.

Nachts schlief sie meistens bei mir im Bett. Auch wenn sie dabei oft haarte wie verrückt und mir den Platz streitig machte, habe ich es sehr genossen, sie so nah bei mir zu wissen. In den ersten Jahren konnte sie mich nachts sehr erschrecken – hatte ich sie versehentlich im Schlaf berührt, etwa beim Umdrehen, fuhr sie grollend mit gefletschten Zähnen hoch. Etwas, was sie im Wachzustand nie getan hätte. Hier saß ihr eine schlechte Erfahrung in den Knochen und sie war nachts noch sehr verletzlich. Wenn ich sie dann beruhigte und streichelte, wirkte sie wie erleichtert. Das Phänomen verschwand eines Tages und trat nie wieder auf. Ich konnte ihr immer und überall vollkommen vertrauen. Für das erste kleine E-Book mit Panini-Geschichten entstand das Bild, auf dem sie auf dem Tisch sitzt.

2018

Auch 2018 war ein herausforderndes Jahr für uns beide. Aber ich wusste, wie sehr ich auf sie zählen konnte. 2017 war einer meiner Nachbarn plötzlich ein Pflegefall geworden und in ein Pflegeheim gezogen. Seine Frau, eine ältere Dame über 80, blieb allein im Haus zurück. Panini und ich betreuten sie fortan gemeinsam, aber mehr noch als ich, wurde das Brötchen zu ihrer Stütze. Auf dem Bild sieht man die Nachbarin einer von Paninis plötzlichen Kuss-Attacken ausweichen.

Wir verreisten öfter und Panini kam sogar an die See. Im Oktober starb meine Mutter und Panini war so eng an meiner Seite, wie man als Hund nur sein kann. Seit 2018 war sie in Behandlung bei der Ärztin, die uns bis zum Schluss großartig betreute, die Akupunkturnadeln zeugen davon.

2019

In diesem Jahr musste Panini ihre gute Erziehung beweisen (räusper). Sie lernte S-Bahn fahren, was sie bisher abgelehnt hatte. Der Geruch und die Tiefe des Schachtes schienen ihr Angst zu machen. Bus und Straßenbahn waren kein Problem, aber das Unterirdische war nicht ihre Sache. Nun mussten wir allerdings zu einem Co-Working-Space in die Stadt und da war die S-Bahn manchmal hilfreich. Natürlich schaffte sie auch das. Panini machte alles mit. Nicht alles gern, aber dann eben mir zuliebe. Sie war im Büro brav und eroberte Herzen. Was auch sonst.

2019 waren wir gemeinsam bei einem Hundesymposium im Chiemgau und auch das war mit ihr eine einfache Sache, wie so vieles. Darüber hinaus gab es viele Sorgen (wie immer) und zunehmende Routinen wie der tägliche Käsewürfel-Snack der Nachbarin, bekloppte Selfies und Treppentraining. Für jedes umsichtig genommene Stockwerk gab es einen kleinen Keks. Das Treppenfoto ist dennoch eine Rarität. Der Stapel der Tierarztrechnungen ist 2019 im Vergleich zu den folgenden Jahren noch moderat.

Bis zum Schluss behielt Panini die Gewohnheit bei, mich am Schreibtisch von der Arbeit abzulenken, in dem sie den Kopf auf mein Bein legte und mich bedeutungsvoll ansah. Eine Geste, die ich ungeheuer vermisse.

Fortsetzung folgt.

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3 Comments

  • Reply Roithmeier Eva 21. Januar 2024 at 8:56

    es tut mir unendlich leid. und doch, es bleiben so viele schöne Momente. “Gott schenkt uns Erinnerungen, damit wir Rosen im Dezember haben” (Elisabeth Castonier)

  • Reply Brigitte Mutscher 21. Januar 2024 at 13:02

    liebes Frauchen von Panini,
    vielen Dank für diese wunderschönen Texte und Erzählungen aus Eurer beider Leben. da kommen mir immer wieder die Tränen! ich hätte es so sehr Ihnen beiden gegönnt, noch mehr Zeit miteinander zu haben.
    in jedem Wort lese ich die Liebe zwischen Ihnen … und es beruhigt mich sehr, dass es noch mehr “verrückte” Frauchens gibt, die alles und sei es noch so aberwitzig für ihr vierbeiniges Familienmitglied tun. Genauso habe ich es auch gemacht und es fühlte sich gut und richtig an. Unsere Lieblinge danken es uns.
    ich wünschte, ich könnte Ihnen sagen, dass der Schmerz und die Trauer irgendwann vergehen. leider nicht, beides wird nur leiser. Heute nach über 10 Jahren vermisse ich sie immer noch, sehe ich sie immer noch vor mir her laufen, sehe immer noch ihre großen Ohren im Rückspiegel des Autos. Das vergeht nie.
    Irgendwann (sofern wirtschaftlich möglich) wird es Ihnen möglich sein, auch einen anderen Hund zu lieben und diesen auch zu schätzen. Aber diese besonderen Bindung zum Brötchen wird bleiben und nur das kann ein Trost sein.
    Ich wünsche Ihnen alles Liebe und viel Kraft zum Durchhalten!

  • Reply Martina 25. Januar 2024 at 8:40

    Deine Erinnerungen sind für mich wunderbar zu lesen. Panini war und bleibt nicht nur ein einzigartiger Hund, sondern auch ein im positivsten aller Sinne eigen- artiger. Wie du ihre Eigenarten beschreibst, das erinnert mich sehr an meinen ersten (im doppelten Sinn) eigenen Hund Basi. Und es bestärkt mich in meinem Plan, dem Alltag keine Chance zu geben mir vorzumachen, dass Zias Anwesenheit, ihr „Beimirsein“ selbstverständlich ist.

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