Drinnen

Das Lied vom Wedelmeister

24. Januar 2025
Mit Hunden reden

Mit Hunden sprechen ist toll. Man kann dumme Sachen sagen oder solche, die keinen Sinn ergeben. Man kann ausgedachte Fremdsprachen sprechen oder einen skurrilen Sprachfehler einbauen. Zwei Oktaven höher sind als Tonlage gar kein Problem, eine Oktave tiefer auch nicht. Wie auch immer man den eigenen Part des asymmetrischen Dialogs gestaltet – das Tier wird es mit Interesse oder doch zumindest mit Wohlwollen aufnehmen. Mit Hunden sprechen befreit vom Druck des Klugseinmüssens, Eloquenttuns und Tontreffens. Allein das wäre schon ein Segen, der über uns alle gelegentlich kollektiv herniedersinken sollte. Aber damit ist es noch nicht genug: Das Tier quittiert die Ansprache auch noch jederzeit mit der ihm innewohnenden exzessiven Freundlichkeit. „Wollen wir raus in die Kälte? Du ziehst ein bisschen an der Leine rum, machst Pipi und wir gehen schnell wieder heim?“ frage ich das Besuchstier. Augenblicklich fängt es an, wie verrückt zu wedeln. Für mich ein Anlass, mit dem Unsinnreden erst so richtig zu beginnen. „Du bist ja ein Wedelmeister!“ sage ich zum Tier. Das Tier wedelt noch mehr, was zuvor schon kaum möglich schien. Das feuert mich weiter an. Ich beginne zu singen, Hunde inspirieren mich immer, die eigene Blödigkeit nicht nur in Worten, sondern auch in Klängen auszudrücken. „Niemand wedelt schöner als wie du, uhuhuuu!“ singe ich. Das Tier ist begeistert. „Du bist ein Wedelmeister, ganz ohne Kleister, Wedelmeister, Amy heißter, jippidu, wedelyou!“ Das ist ganz ohne Zweifel ein kommender Chartbreaker, zumindest in den samtigen Öhrchen von Amy. Ihre Freude über die Feinheiten der Lyrik übersteht auch jeglichen Stimmungswechsel. „Aber erst muss ich aufs Klo“, sage ich. Ein Gedanke, den man im Berufsalltag, vor allem in größeren Meetings, selten nach außen trägt.

Das Tier hat natürlich Verständnis und wartet voller Vorfreude, bis ich aus dem rätselhaften gekachelten Zimmer wieder zurückkomme. Während ich dann versuche, dem vor freudiger Erwartung bebenden Tier, das jetzt mit dem ganzen Körper wedelt, ein Mäntelchen anzuziehen und ein Geschirr umzulegen, rede ich noch ein bisschen Blech. Natürlich betont ruhig, damit es das Tier vor Begeisterung nicht zerreißt. „Du bist die Schönste von allen“, sage ich. „Das Mäntelchen harmoniert total mit deinem Teint.“ Das findet das Tier auch und wedelt noch ein bisschen. „Bist du eigentlich ein Herbsttyp?“ frage ich, aber Amy scheint sich mit farbtypgerechtem Styling nicht so auszukennen. Sie trägt ja auch zeitgleich silberne und goldfarbene Accessoires, aber da wir noch nicht bei Shopping-Queen zu Gast waren, hat das noch niemand kritisiert. „Du bist eine Fashion-Ikone!“ sage ich zu ihr, während ich über dem vibrierenden Hunderücken ein paar Klettverschlüsse schließe. Das ist zwar beknackt, aber es wäre im Grunde genauso blöd, wenn ich es zu Michelle Obama sagen würde. Und die würde dann ja auch noch nicht mal wedeln.

Dann sage ich noch schnell die Sachen, die ich immer sagen muss, bevor ich rausgehe: „WartemalhabenwirauchallesjaBeutelchenhabichnochsoLeineallesklarLichtistausMomentwarte – achjetzthättichfastdieHandschuhevergessensowarteichmachdirLichtSchlüsselsolosgeht’s.“ Wir können endlich starten und ich habe ab sofort nicht mehr die ungeteilte Aufmerksamkeit des Tiers. Das macht aber nichts. Wenn wir wieder zurück sind, kann ich das Lied vom Wedelmeister sicher noch etwas verfeinern und beim Öffnen der Dose weiter Unfug reden. Der Rutenapplaus des Tiers ist mir jetzt schon sicher.

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3 Kommentare

  • Antworten Ute 24. Januar 2025 um 15:53

    Weiter fröhlichstes Singen mit bestem Gewedel, ich mag eure Geschichten sehr.

  • Antworten Elli 27. Januar 2025 um 12:13

    Wie schön, Heidi. Meine Labradore waren auch solche Wedelweltmeister, meist wedelte der ganze Hund.
    Meine rumänische Straßenhündin Hope scheint das ganze Gewedele unter ihrem Niveau zu halten. „Geschleime“ hat sie nicht nötig. Dafür jodelt sie, wenn sie sich freut, oder rast im Kreis wie wild durch den Garten. Freudenorgien sind halt ganz individuell.

  • Antworten Bea und Wolfgan g Wüst 10. Februar 2025 um 23:39

    Unsere beiden Mopse Mia 9 1/2 und Kira
    1 1/2 können wie die Maria Kallas singen.
    Mein Mann sagt immer bald kommt die Feuerwehr. Und dann müssen wir lachen.

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