„Wir haben einen Montagshund!“ Es ist scherzhaft und liebevoll gemeint. Hundebesitzer von Hunden mit multiplen Krankheiten flüchten sich mit dem Spruch vom Montagshund in ihren Galgenhumor. Das ist legitim. Ich wünschte aber, der Begriff würde verschwinden. Denn er zementiert eine Denkweise, die fragwürdig ist.
Was ist ein Montagshund?
Als Montagshund werden gern Hunde bezeichnet, die besonders häufig „Hier!“ gerufen haben, als es an die Verteilung von Krankheiten ging. Sie haben so einiges, was scheinbar nichts miteinander zu tun hat – Empfindlichkeiten des Magens, Inkontinenz, chronische Augen- oder Ohrentzündungen, Hüftgelenksdysplasien, Patellaluxationen und häufige Verletzungen. Alles ist möglich und bildet einen bunten Blumenstrauß des Leids. Hundebesitzer von solchen Vierbeinern könnten ihrem Haustierarzt eine grundsätzliche Einzugsermächtigung für das eigene Konto erteilen. Montagshunde sind kostspielig.
Der Begriff ist an das Montagsauto angelehnt, ein Fahrzeug, was unter dem Einfluss der Folgen eines Wochenendes zusammengebaut wurde. In einem klischeehaften Phantasiegebilde stellt man sich das so vor: Durch Müdigkeit, Lustlosigkeit und Unkonzentriertheit entstehen Fehler und somit Autos, die teure Werkstattrechnungen verursachen, weil dauernd irgendetwas anderes ausfällt. Ist doch also ein guter Vergleich zum kranken Hund. Oder etwa nicht?
Ein Montagsauto ist Pech. Ein dummer Zufall. Vergleichsweise wenige Autos sind derart fehlerhaft. Kranke Hunde aber sind kein Zufall.
Dispositionen bei Rassehunden.
Dumm gelaufen oder dreist vermehrt?
Nehmen wir an, eine französische Bulldogge hat Harnsteine, einen Bandscheibenvorfall, eine chronische Bindehautentzündung, Hautprobleme, und einen Megaösophagus, eine erweiterte Speiseröhre. Ist das ein Montagshund? Oder einfach nur das Ergebnis von verantwortungsloser Vermehrung mit genetisch belasteten Tieren? Wenn ein Golden Retriever einen Herzfehler, Hüftgelenksdysplasie, Ellenbogengelenksdysplasie, Kreuzbandrisse und grauen Star hat – ist das ein dummer Zufall? Oder eher ein Erkrankungsmix mit Ansage? (Bevor es jemand schreibt – ich weiß, dass es gesunde Goldies gibt. Als Zufall kann man so einen Krankheitsmix aber ganz bestimmt nicht bezeichnen). Der Begriff des Montagshunds negiert rassespezifische Dispositionen. Krankheiten, die sich durch verantwortungslose Zucht in vielen Generationen festsetzen konnten.
Aber Montagsmischlinge gibt es doch wohl?
Bei vermeintlichen Montagsmischlingen stört mich noch etwas anderes. Die Schulmedizin konditioniert uns darauf, jedes Symptom für sich zu betrachten. Ein Hund, der Ohrmilben hat, bekommt Ohrentropfen. Nach seinem Immunsystem wird in der Regel nicht geschaut. Inkontinente Hunde werden häufig mit hormonell wirkenden Medikamenten dicht gemacht, sofern eine Blasenentzündung ausgeschlossen ist. Niemand sieht sich die verdickte Kastrationsnarbe an. Ein Kreuzbandriss wird operiert, die Hüfte röntgt keiner. Eine Bauchspeicheldrüseninsuffizienz ist eine Bauchspeicheldrüseninsuffizienz. Ein dummer Zufall, den man mit Enzymen behandelt. Nicht vielleicht die Folge von massivem Medikamentenbeschuss.
Dass alles mit allem zusammenhängt, wird einfach verdrängt. Sonst müsste man vielleicht feststellen, dass die Magendrehung die Folge einer zu frühen Kastration war, die für ein nachhaltig schwaches Bindegewebe gesorgt hat. Aber dann wäre der Montagshund ja plötzlich gar kein dummer Zufall mehr, sondern seine Krankheiten von Menschen gemacht. Dann müssten wir die gängige Kastrationspraxis im Tierschutz hinterfragen. Wir müssten hinterfragen, welche Rolle die Medikamente und die Futtermittel, die wir den Tieren geben, bei ihren Krankheiten spielen. Wir müssten uns um Zusammenhänge bemühen, die wir zunächst noch nicht sehen können.
Die wenigsten Haustierärzte werden uns dabei helfen. Dazu ist es zu bequem, ein Symptom zu behandeln, anstatt den ganzen Hund. Die traditionelle chinesische Medizin kennt Zusammenhänge, über die wir nur staunen können. Sie verbindet die Augen mit der Leber, alte Narben mit chronischen Schmerzen an völlig anderer Stelle. In der TCM kennt man keine Montagshunde. Nur Puzzlesteinchen, die man zusammenfügen muss, um ein Gesamtbild zu erhalten. Warum kann diese Denkweise kein Vorbild für die westliche Tiermedizin sein?
Ich wünsche mir, dass Tierärzte in ihren Patienten mehr sehen als ein Bündel Krankheiten. Und dass sich Tierhalter mit ihrer Hilfe auf die detektivische Suche nach den Zusammenhängen begeben können. Denn nur dann kann Hunden wirklich geholfen werden. Wer seinen Hund aber für einen Montagshund hält, verschließt sich dem ganzheitlichen Blick und damit dem Weg zur Heilung.
7 Kommentare
Aber, dann würde man – in der Folge – diese Einflüsse auf die menschliche Gesundheit ja ebenfalls anders betrachten (müssen) – und das ist nun GAR NICHT erwünscht. lg Silvia Fahnemann
Das hier sehr anschaulich beschriebene Problem kennt man leider auch aus der Humanmedizin. Da werden auch nur die Symptome behandelt und damit gleichzeitig – durch die Nebenwirkungen der Behandlungen – neue Baustellen aufgemacht. Ursachenforschung Fehlanzeige.
Es wirklich sehr, sehr traurig, auch weil es bei der Gesundheit zum größten Teil auch nur um Umsätze, Gewinne und Wirtschaftlichkeit geht.
Leider kann man ja nicht in jedem Bereich seines Lebens Spezialist sein, so dass man sich auf die Fachleute verlassen können sollte. Dein Bericht zeigt, dass dem nicht so ist….
Viele nachdenkliche Grüße
Sabine mit Socke
Ja leider wird in der Schulmedizin alles einzeln betrachtet.
Wir hatten Alta aus dem Tierschutz – mit mächtig viel Problemen: Ohrenentzündung, heftige Hautprobleme am hinteren Rücken, Magenempfindlichkeit, Herzprobleme (es fehlte ein Schlag) u.v.a.m.
Der Schulmediziner sagte, die Ohrentzündung wird man ihr Leben lang behandeln müssen und auch die Haare in den Gehörgängen sollte man regelmäßig “ausrupfen”… Magen: manche Hunde sind halt empfindlich… Hautprobleme: kann man nicht viel machen… Der AV-Knoten im Herz wurde mit Aconitum angeschuckt – angeblich hatte sie zwei Jahre später noch immer “Herzgeräusche”. Hab mir ein Stethoskop gekauft-ich konnte nichts feststellen… Alta war bewegungsfreudig und bekam ihre entsprechende Aktivitäten-Herzprobleme konnten wir keine bemerken…
Zum Glück hatte ich eine Tierheilpraktikerin in der Nähe, die sich mit TCM auskennt. Sie hat Alta getestet und fand heraus, dass sie auf Geflügel und Schweinefleisch allergisch reagierte. An Trockenfutter probierten wir einiges, nichts passte. Klar, wenn undefinierbar “Tiererzeugnisse” als Zutat dabei steht, weiß man nicht wirklich, was drin ist… wir stellten dann auf BARF um und innerhalb kürzester Zeit hatte Alta keine Probleme mehr mit der Haut, den Ohren, dem Magen/Verdauung. Man merkte aber sofort, wenn irgendetwas anders mit Futter oder Lecker war…
Leider ist auch in der Humanmedizin der Profit (Lobby der Pharmaproduzenten und Vertreiber) wichtiger als bei einem “Problem” den ganzen Menschen zu betrachten…
Meine Idgie schreit auch bei allem HIER was gerade so an Krankheiten verteilt wird. Und gerade haben wir einfach eine Kettenreaktion: Irgendetwas (mutmasslich ein Insektenstich) löste einen heftigen Juckreiz aus. Der dazu führte, dass Idgie sich innerhalb kürzester Zeit auf 15 Zentimetern die Haarer an der Schwanzwurzel ausriss und den Schwanz blutig biss. Daraufhin haben sich dann Bakterien in der Wunde angesiedelt (was eine AB-Gabe leider notwendig machten). Die AB haben das Immunsystem zerschossen und es überhaupt möglich gemacht, dass nicht so nette Pilze sich vermehren konnten. Außerdem ist die gesamte Darmflora in Aufruhr 🙁 . Nach zehn Tagen Ruhe, hurra, ist der Pilz heute retour und wir dürfen wieder zum TA. Außerdem habe ich einen unleidlichen Hund, der bei allem ausflippt und einen verunsicherten Zweithund, der alle negativen Schwingungen abkriegt. Manchmal ist einfach der Wurm drin 🙁 Das Wort “Montagshund” habe ich für Idgie allerdings schon öfter benutzt. Und sie stammt aus keiner Vermehrerei und all ihre Geschwister sind pumperlgsund.
den Ausdruck Montagshunde habe ich tatsächlich noch nie gehört. Und ja, vielleicht ist es ein bisschen Galgenhumor seitens der Besitzer, wenn sie sich mit einer Situation konfrontiert sehen, die sie nicht (mehr) ändern können oder eben keinen Einfluss drauf haben.
Ich wünsche allen, dass sie einen guten Tierarzt an ihrer Seite haben, der saubere Arbeit leistet ♥
Liebste Grüße
Dani mit Inuki und Skadi
Ich kannte den Begriff “Montagshund” ebenfalls nicht, habe aber schnell ein Beispiel für ein solches Exemplar im Bekanntenkreis gefunden: Ein Beagle, der gefühlt IMMER irgendwelche akuten Beschwerden hat (Gelenke, Magen etc.) während mein Labrador-Mix-Straßenhund super robust ist.
Leider ist es aber ja in allen Bereichen so (nicht nur im Gesundheitsbereich, egal ob bei Menschen oder Tieren), dass häufig nur die Symptome gelindert werden, aber selten an den tatsächlichen Ursachen Hand angelegt wird. Denn das würde ja bedeuten, dass wirklich viel Zeit investiert werden müsste, um den Sachverhalt zu durchdringen und zu verstehen. Die Zeit kann aber entweder der Hundebesitzer kaum bezahlen (TA ist ja schon teuer genug) oder es ginge eben auf den Rentabilität der Praxen (weniger Durchlauf -> weniger Umsatz, weniger Gewinn).
Ich habe mich in die vergangenheit intensiver mit traditionelle chinesische Medizin bei Hunde auseinander gesetzt, wirklich tolle sache da man einen Problem/Erkrankung ganzheitlich betrachtet ebenso tut dieses einen klassisch arbeitenden Homöopathen, da bei beiden Heilmethoden die Anamnese (Erhebung der Krankheitsgeschichte) sehr Zeitintensiv ist, wird der 0815 Tierarzt es nicht anbieten da er statt die obligatorischen 30 Patienten nur 3 Patienten während die Sprechstunde abfertigen kann.