Draußen

Weff mich nicht an!

16. Juni 2019
Hunde nicht ohne Leine

Eigentlich wollte ich heute die Geschichte von Gisela und Erika erzählen, zwei ignoranten Damen, die mir mit ihren Hunden Tiffi und Tuffi unglaublich auf die Nerven gehen. Tiffi und Tuffi sind Hunde, die viel bellen. Und sie bellen niemals „Wuff, wuff“, wie andere Hunde. Sie bellen immer nur „Weffweffweffweff!“ „Wuff“ und „Woff“ sind wirklich ok. Auch ein einzelnes „Wiff“ ist zu verschmerzen, kleine Hunde tun sich mit dem Woff nunmal schwer. Vielleicht könnte man mit Hilfe von Stimmbildung und einer ordentlichen Zwerchfellstütze dran arbeiten, aber sei’s drum. Von mir aus auch Wiff. Aber „Weffweffweffweff!“ lässt einfach mein Adrenalin sofort in die Höhe schnellen. Es hat sowas ungeheuer Pampiges. Tiffi und Tuffi kennen nur diese Sorte Bellen.

Aber als ich die Geschichte aufschreiben wollte, ist mir plötzlich eingefallen, dass ich gar nicht weiß, wie Tiffi und Tuffi heißen. Die Namen habe nur ich mir ausgedacht. Auch Gisela und Erika sind mir nie vorgestellt worden. Ich kann also nicht mal ein Sternchen an ihre Namen machen und als Fußnote „Namen der Redaktion bekannt“ hinzufügen. Außerdem wäre es eine wütende Geschichte und wütende Sachen lesen sich nicht so gut. Obendrein schadet das dem Karma. Und weder Tiffi noch Tuffi noch Gisela oder Erika lesen diesen Blog, der pädagogische Sinn der Geschichte wäre also zweifelhaft. Ich habe daher beschlossen, nur ein ganz kleines Bisschen darüber zu schreiben und dann ganz schnell vom Speziellen auf das Allgemeine zu kommen. Dann bekäme das Ganze wieder einen Sinn.

Es begab sich wie jeden Morgen, dass das Tier und ich unsere Runde drehten. Die Morgenrunde ist fast immer gleich und sie führt uns immer an einem Tierarzt vorbei. Panini mag den Tierarzt, aber es gibt auch nur wenige Dinge, Menschen oder Kühlschrank-Inhalte die Panini nicht mag, das soll also noch kein Kompliment für den Tierarzt sein. Nun ist nicht jedes Tier wie meines, viele mögen den Tierarzt gar nicht und sie empfinden das Wartezimmer, den Vorraum der Praxis, wie einen Vorraum zur Hölle. Deshalb warten manche Tiere draußen, denn eine Hofeinfahrt zur Hölle scheint weniger schlimm zu sein. Zumindest ist sie nicht so sehr mit anderen vermeintlich Todgeweihten bevölkert.

Da mein Tier die Tierarztpraxis für eine Art großen Frolic-Lagerraum hält, findet es gelegentlich, wir könnten dem Tierarzt doch mal wieder einen Besuch abstatten, ganz unverbindlich, weil wir gerade in der Nähe sind. „Wir sind jeden Morgen in der Nähe“, sage ich dann. Das sieht das Tier ein und geht verständnisvoll nickend weiter. Das tut es sowieso meistens. Einfach daran vorbeigehen, ganz gleich, wer in der Hofeinfahrt gerade herumsteht und auf das Schlimmste gefasst ist. So auch an diesem einen Morgen.

Während wir nun also dort vorbeigehen, wo wir immer vorbeigehen, stürzen zwei Hunde ohne Leine aber mit Maschinengewehrsound aus der Hofeinfahrt auf uns zu. Tiffi und Tuffi weffen was das Zeug hält, schrill, wütend und mit Zähnen. Bellen mit Zähnen nervt mich besonders. Panini erschrickt und macht einen Satz, ist aber alsbald vom Weffweffweff umhüllt. Ein schwarzer Kleinpudel und ein Irgendwas mit Hängeohren beweffen Panini im Kanon. In der dunklen Hofeinfahrt hatte ich schemenhaft zwei Frauen wahrgenommen und ich denke, JETZT wäre der richtige Moment, die Hunde zurückzuholen und anzuleinen. Es wefft und wefft und niemand kommt. Wir versuchen weiterzugehen, aber es wefft uns hinterher und vor uns her und so ist nicht gut wegkommen. SPÄTESTENS JETZT sollten die Hunde abgeholt werden. Aber nichts passiert.

Ich versuche, die Hunde abzudrängen, aber das ist mit zwei ADHS-Hunden nicht leicht. Schließlich platzt mir der Kragen und ich brülle den Pudel an, der Panini gerade besonders angeht. Ich brülle in solchen Situationen nicht so gern, denn es ist immer mein Tier, das sich angesprochen fühlt und danach verunsichert ist. Aber manchmal geht es nicht anders. Da wallt es plötzlich eilig aus der Hofeinfahrt und Erika hat den Weg auf den Bürgersteig gefunden, vielleicht mittels GPS. Das muss ja immer erst den Standort suchen, insofern ist es verständlich, dass es etwas dauern kann. Sie versucht die beiden Hunde zu greifen, was sich ungefähr so schwierig gestaltet wie Seife in der Dusche festzuhalten. Eine Leine – oder gar zwei – hat sich nicht dabei. Ihr stark verzögerter Aktionismus ist offensichtlich nur meinem Brüller geschuldet, denn sie wirkt so, als müsste sie ihre Hunde vor einer Irren in Sicherheit bringen. Mit einem besorgten Seitenblick auf mich scheint sie zu überprüfen, ob noch weitere unangenehm laute Geräusche von mir zu erwarten sind. Tiffi und Tuffi scheinen das Exklusivrecht auf Lärm zu haben und das habe ich ihnen nun streitig gemacht. Nach einigem Gewurschtel gelingt es Erika, die Hunde zu packen und in die Hofeinfahrt zurückzuschieben, während Gisela im Hof vermutlich noch immer auf ihr GPS-Tool starrend auf eine Wegbeschreibung wartet, um ihr zur Hilfe zu eilen. Wir gehen endlich weiter. „Wuff!“ sage ich zu Panini. Doch das Tier schweigt erleichtert und genießt die wiedergewonnene Stille.

Bitte, bitte, bitte leint eure Hunde an. Jeden Tag wird mein Hund von anderen belästigt. Von den Nervigen und den Angebern, von Hunden, die aufreiten wollen, Hunden, die ihr weffend hinterherlaufen, Hunden, die spielen wollen und ihren Rücken umklammern oder ihre 30 Kilo-Pfote auf sie drauflegen. Und mein Tier, das sogar Tierärzte super findet, findet das total blöde. Völlig zu Recht. Wenn ich nur wüsste, wo sich bei all den Erikas und Giselas der Zugang zum Gehirn befindet! Durch Augen und Ohren kommt scheinbar leider nichts rein.

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9 Kommentare

  • Antworten Katja P. 17. Juni 2019 um 8:39

    Das kennen Bruno und ich so gut! Leider! Es bleibt auch meiner Fellnase und mir ein großes Rätsel, warum sich so viele Hunde unangeleint von ihren Besitzern entfernen dürfen. Vor allem die unter 10 Kilo, die meinem Bruno gerade bis zur Hälfte seiner Beine reichen. Schwups, sind sie bellend und Zähne fletschend unter ihm verschwunden und drehen danach ein paar Runden um seine Beine.
    Letztens erdreistete sich so ein kleiner Brüllaffe, ihm geradewegs direkt, unvermittelt in seinen Vorderlauf zu beißen!!! Bruno quitschte, war außer sich vor Empörung und hüpfte zur Seite. Meine Reaktion war reflexartig leider nicht zu unterbinden – ich brüllte das Minitier an und trat es zeitgleich von meiner Fellnase weg. Die Besitzerin kam nach einer gefühlten Ewigkeit entsetzt angelaufen. Derweil machte ich gerade den Eindruck, eine Yogaübung in den Spaziergang einzubinden – mit dem rechten Fuß den Angreifer weg drückend, mit der linken Hand hielt ich meine Fellnase auf Abstand.
    „Hach“, nahm ich wahr „Hach, meiner kann nicht so mit Rüden!“
    „Was?“, fragte ich „kann ihrer nicht mit Rüden? Beißen geht jedenfalls ganz gut und im Übrigen, hat meiner noch nicht gefrühstückt…..“

  • Antworten Irene 17. Juni 2019 um 11:35

    Da fällt mir ein Erlebnis ein, dass ich nie vergessen werde. Meine Berner Sennenhündin , wurde mehrere
    Jahre von einem Yorki attackiert. Herrchen strahlte, sein Zwerg greift einen Goliath an und Frauchen rief halbherzig den Hund, was der aber bei dem Krach den er veranstaltete, gar nicht hören konnte.
    Nach 3-4 Jahren riß selbst meiner gelassenen Hündin der Geduldsfaden. Sie legte sich einfach auf dieses
    keifende Tier rauf. Knapp fünfzig Kilo auf 2-3 Kilo ( ich weiß nicht was ein Yorki wiegt).
    Unter meiner Hündin war es schlagartig ruhig und wir Menschen waren starr vor Schreck.
    Dann stand meine Hündin auf und schlenderte lässig weiter, der Yorki stellte sich verdutzt hin,
    schüttelte sich und raste zu seinen Leuten, die ihn erst einmal abtasteten, ob noch alles heil war.
    Also kann die Hündin sich nicht richtig auf ihn gelegt haben, sonst wäre er platt.
    Aber sie hat etwas geschafft, was seine Halter nicht konnten und auch nicht wollten.
    Der kleine Giftzwerg hat nie wieder meine Hündin angemotzt. Er ging sogar dicht an ihr vorbei, ohne
    „sie zu sehen“
    Dein Text war wieder köstlich.
    Liebe Grüße
    Irene

  • Antworten Alessa 18. Juni 2019 um 9:22

    Oh, Giselas und Erikas laufen in unserer Nachbarschaft auch einige rum. Die meisten werden von unangeleinten Mini-Hunden begleitet, die unsere Hündin regelmäßig verbal angehen. Sie ist immer völlig verwirrt und kann nichts damit anfangen. Manchmal bin ich versucht, sie auch einfach von der Leine zu lassen und den Zwergen mal zu zeigen, wie das mit dem Bellen richtig geht (sie hat ein ziemlich tiefes Organ). Aber dann wäre ich nicht besser als Gisela und Erika. Aber es nervt – tierisch.

  • Antworten Angelika Hoyer 23. Juni 2019 um 9:52

    Wunderbar geschrieben Heidi! Wenn ich solche Begegnungen schildere , rutscht immer der erhobene Zeigefinger hoch. Desshalb lese ich Deinen Blog so gern.

  • Antworten christina 25. Juni 2019 um 14:20

    vielleicht liegt es an der geographie, aber weder in südhessen noch im südspessart werden wir von freilaufenden hunden belästigt. wirbegegnen meistens nur ähnlich großen hunden . meine süße fee ( 60 cm, 32 kilo, 10 jahre ) ist diejenige, die sich höllisch aufregt, wenn uns vierbeiner begegnen. ich weiß bis heute nicht warum….. ich habe sie erst mit 6 jahren bekommen.
    in den letzten 4 jahren haben wir dann eine umgehungs-taktik entwickelt, weil ich super gestresst war, wenn fee andere hunde verbellt. wir sind meister im „escaping“ geworden und laufen ziemlich stressfrei unsere pfade. biegen ab, schagen uns ins gebüsch, gehen wieder zurück oder machen umwege. inzwischen macht es fast spass und ich versuche nicht mehr meinen hund umzumodeln. und mein adrenalin steigt nicht mehr, wenn sie sich so verhält. ich halte sie eben kurz.
    das bedeutet aber auch, daß frauchen immer (!) ein waches auge hat, auf alles was sich regt, obwohl fee an der 8 meter-
    flexileine läuft. also es geht, wenn man /frau will. gassi mit fee bedeutet 200 % aufmerksamkeit. und das hat sie auch verdient.

  • Antworten Elisabeth 28. Juni 2019 um 12:10

    Wieder einmal wunderbar geschrieben???? und so wahr!

  • Antworten Johanna 2. Juli 2019 um 13:19

    Super Beitrag! Gassigehen ohne Leine scheint zur Zeit der letzte Schrei zu sein und wenn man in diesen Fällen darum bittet, ein Tier doch anzuleinen bzw. wenigstens zurückzurufen, wird man oft auch noch blöd angemacht. Der tolle Ratschlag des Gegenübers lautet dann regelmäßig, man solle den eigenen Hund halt auch freilassen. Blöd nur, wenn der keine anderen Hunde mag, Angst oder starken Jagdtrieb hat (Podencos!) oder gerade krank ist.

    Wieso muss man sich eigentlich dafür rechtfertigen, dass der eigene Hund im Wohngebiet an der Leine läuft und man ihn nicht zum Hundekontakt zwingen will und darf nicht ungestört von anderen Mensch-Hund-Gespannen seiner Wege schreiten?

  • Antworten Micky 3. Juli 2019 um 23:44

    Ich selber habe einen kleinen Hund (5,5 kg) und habe sie immer an der Leine, wenn wir auf freiem Gelände sind, habe ich sie an einer 10 m Schleppleine. Nicht, weil sie andere Hunde nicht mag und angreift, im Gegenteil, sie findet andere Hunde super und würde deshalb liebend gerne zu jedem hin. Und u. a. genau deshalb leine ich sie permanent an! Wenn dann, wie so oft, mal plötzlich wie aus dem Nichts ein kleiner Hund vor ihr steht, dessen Besitzer gemütlich schlendernd in 10 Metern Entfernung folgt, frage ich mich immer: Woher wissen die alle, dass mein Hund andere Hunde mag? Nur, weil sie klein und niedlich ist heißt das ja nicht, dass sie keine anderen Hunde attackiert. Dann wäre aber sicher was los und ich/mein Hund wäre daran Schuld, nicht derjenige, der den Hund einfach laufen lässt.

    Aber wie oft bekomme ich blöde Kommentare… entweder wegen der Leine oder, weil ich meine Hündin stets bei entgegenkommenden Hunden auf die andere Seite nehme und weiterlaufe, auch, wenn da mal wieder einer „nur mal Hallo sagen“ will…

  • Antworten Vivi 29. Juli 2019 um 10:54

    Ich bin froh, dass ich mein 5 kg-Hundchen bei derartigen Begegnungen einfach hochheben und damit aus der Situation nehmen kann. Oft gehe ich auch Umwege. Und zwar obwohl mein kleiner völlig furchtlos und immer interessiert ist. Ich möchte ihm einfach seine heile Welt lassen, in der er nicht bedrängt, angepöbelt und attackiert wird, eben damit er nicht so ein Giftzwerg wird, der prophylaktisch alles und jeden zähnefletschend verbellt.
    Leider gibt es allzu viele Halter, die entweder selbst offene Aggression ihres Hundes als „spielen wollen“ interpretieren (insbesondere, wenn dieser klein und wuschelig ist – aber manchmal tatsächlich auch bei einem ausgewachsenen Berner Sennen oder Ridgeback), oder ihn vielleicht auch als Ventil für ihren eigenen Egoismus und ihren Ärger benutzen…

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