Draußen

„Tierschutz – das ist mir zu traurig“

10. November 2024

Wir leben in unruhigen Zeiten, die an positiven Nachrichten nicht gerade reich sind. Viele Menschen haben da wenig Kapazitäten, sich in ihrer Freizeit mit Leid und Elend zu beschäftigen und ich kann das gut verstehen. Man muss immer dafür sorgen, dass das eigene Gemüt sich nicht zu sehr verdunkelt. Wer sich im Tierschutz engagiert, also so richtig, mit Haut und Haaren, der hält das auf Dauer kaum noch aus. Dafür bewegt sich zu wenig, die eigenen Bemühungen erscheinen wie ein Tropfen auf dem heißen Stein und oft nicht einmal das. Und dennoch: „Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen“ sagt Albert Camus: „Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen.“ Ich selbst kann das nicht wirklich beurteilen, denn ich bin nur eine Schönwetter-Tierschützerin. Eine, die nicht unbedingt dahin geht, wo es weh tut, höchstens dahin, wo es ein bisschen zwackt. Das allerdings kann ich jeder und jedem nur empfehlen. Denn dann nimmt man – trotz allem – viel Positives mit nach Hause. Und davon will ich berichten.

Das Refugio, in dem ich in Italien war, ist ein Ort des Guten, ein Ort, an dem Hunde oft zum ersten Mal in ihrem Leben eine Chance bekommen. Man kann dort erfahren, weshalb Menschen und Hunde immer wieder zueinander finden: Weil Hunde nun mal großartig sind. Was mich dort so beeindruckt hat, war, wie sehr Hunde gewillt sind, über ihren Schatten zu springen. Wie sie trotz ihrer Ängste nach und nach Vertrauen fassen. Wie sie trotz ihrer schlechten Erfahrungen auf Menschen zugehen. Wie neugierig sie sind, wie zugewandt und vertrauensvoll sie sein können. Wie freudvoll sie an wenig heiteren Orten sein können. Wie verzeihend und bindungswillig sie sind. Wie charaktervoll und unterschiedlich. Wie schelmisch oder ernsthaft. Hunde sind ein Geschenk. Natürlich kann es einen zum Weinen bringen, wenn dieses Geschenk verschmäht und buchstäblich mit Füßen getreten wird. Tierschutz ist traurig. Aber noch viel trauriger wäre es, wenn es ihn nicht gäbe. Denn nur weil es Orte des Guten gibt, gibt es auch Happy Ends.

Ich habe in Italien Hunde gesehen, bei denen ich dachte: Die haben kaum eine Chance auf Vermittlung. Baghira, ein großer, schwarzer und schnell gestresster Hund mit Leishmaniose. Orvelia, ein schwer geschundener Herdenschutzhund. Mina, die schon einmal einen Menschen gebissen hat. Der 14-jährige Arcy, der 13 Jahre in einem Canile-Zwinger verbracht hat. Die kleine Josefa, die so ängstlich ist, dass man ihr nur mit äußerster Geduld ein Geschirr anziehen kann. Sie alle wurden adoptiert, Menschen haben aus einer großen „Auswahl“ an Hunden ausgerechnet diese zu ihren Herzenshunden erkoren. Hunde, die eben noch verstört auf Beton kauerten, räkeln sich einige Wochen später neben ihren Menschen auf einem Sofa und gucken Martin Rütter. Das ist erfolgreicher Tierschutz. Wenn es diese unzähligen zum Guten gewendeten Schicksale nicht gäbe, könnten Tierschützer nicht weitermachen. Nicht trotzig durchhalten, auch wenn sich wenig zu bewegen scheint und wenn, dann auch noch in die falsche Richtung.

Fast alle Hunde auf diesem Bild wurden inzwischen nach Deutschland adoptiert. Auch der 14-jährige Arcy (2.v.r.)

Der Verein Procanalba, der den sicheren Hafen betreibt, kämpft in diesen Tagen mit zusammengebissenen Zähnen gegen die Widerstände italienischer Behörden. Wer mich kennt, weiß, dass ich keine Spendentante bin, die dauernd Aufrufe teilt oder geschundene Hunde in die Timelines schiebt. Hier möchte ich eine Ausnahme machen. Weil ich selbst vor Ort war und tief beeindruckt davon bin, mit welcher Power hier nicht gezagt und gezaudert wird, sondern gehandelt. In diesen Tagen berichtete eine sehr sehenswerte Reportage von „Tiere suchen ein Zuhause“ über die Zustände in Italien. Dabei ist auch der „Sichere Hafen“ zu sehen, der für mich noch immer „Paninis Tierheim“ ist, auch wenn sich seither vieles verändert hat. Bitte schaut doch bei Gelegenheit mal rein.

Die lustige Gretel sucht nach Leckerchen in meiner Bauchtasche. Sie ist gleich am Anfang von „Tiere suchen ein Zuhause“ zu sehen.

In diesem Zusammenhang möchte ich euch auch auf die Spendenaktion aufmerksam machen, die Procanalba gestartet hat. Der nachfolgende Film ist ein bisschen tränenrührig, aber ich fürchte, ohne das erreicht man heute in den sozialen Medien niemanden. Ab 4:37 sind Happy Ends zu sehen – das, worum es geht. Ich würde mich freuen, wenn ihr noch ein paar Euro in euren Taschen findet. Für all die großartigen Hunde in der Region Latium, all die Paninis, die es mehr als verdient haben.

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2 Kommentare

  • Antworten Elli 11. November 2024 um 12:28

    „Denn nur weil es Orte des Guten gibt, gibt es auch Happy Ends.“ Und Menschen wie dich, liebe Heidi.
    Danke euch allen.
    Viele Grüße von
    Elli & der rumänischen Blondine

  • Antworten Nicole 12. November 2024 um 11:03

    Ja, alles rund ums Thema Tier- und Naturschutz ist sehr traurig, geradezu zum Verzweifeln…
    Ich bin voller Bewunderung und Dankbarkeit für die Menschen, die sich mit Haut und Haaren engagieren. Ich selbst hätte ehrlichgesagt nicht die mentale Stärke und Energie dafür 🙈
    Aber: „Niemand beging einen größeren Fehler als jener, der nichts tat, weil er nur wenig tun konnte“ – jede*r Einzelne kann an vielen kleinen Stellschrauben drehen: Ernährung, Konsumverhalten, Mobilität, Petitionen unterschreiben etc. – und eben spenden!!! ProCanalba macht wirklich tolle Arbeit, die werde ich gerne unterstützen!

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