Draußen

Ein halbes Jahr mit ohne Hund

23. Juni 2024

Ein halbes Jahr ist lang. Oder kurz. Das kommt eben immer ganz drauf an. Wenn man trauert, ist es beides. Nach einem halben Jahr ohne das Brötchen bin ich immer noch dabei, nach den berühmten „Ich kann ja jetzt …!“-Situationen zu suchen, um die positiven Seiten des Lebens ohne Hund zu beleuchten. Ich kann ja jetzt einfach so lange von zuhause wegbleiben! Flugreisen! Bei Regen drinbleiben! Hinzu kommen die „Ich muss ja nicht mehr …!“-Gelegenheiten wie nicht mehr eine Stunde zum Tierarzt fahren, bergeweise Zusätze, Medikamente und Futter zu bestellen, nachts aufstehen, die Arbeit unterbrechen, akribisch planen. Aber keines dieser Dinge kommt mir so positiv vor, dass sie mich heiter stimmen. Ich wollte damals nicht einfach einen Hund haben, ich wollte mein Leben mit ihm verbringen. Mit ihm reisen. „Endlich ohne Panini“ reisen zu können, ist nichts, was mich so recht begeistern will. Welchen Sinn haben ein Strand und ein Wanderweg ohne Hund?

Das Leben mit ohne Hund ist Normalität geworden. Es ist ein Leben mit einem Loch, um das man immer drumherumlaufen muss wie um einen Bombenkrater. Eine Kollegin nannte es mal die „Haustierlücke“. Ich bin froh, dass neben meinem Schreibtisch wieder ein Hundebett für das Besuchstier steht, das schummelt ein bisschen Richtigkeit in den hundelosen Raum. Wenn ich Hundehaare finde, weiß ich nicht, ob sie von Amy oder von Panini sind, das macht es einfacher, mit ihnen umzugehen. In den ersten Wochen nach Paninis Tod hätte ich am liebsten jedes Haar einzeln in eine Vitrine gelegt.

Jeden Mittag gehe ich spazieren, meistens allein, manchmal mit Amy. Ich brauche die Bewegung und die Luft als Pause von der Arbeit und ich gehe auch im Regen. Ich habe ein Amulett, das ich immer trage, darin sind einige von Paninis Haaren, damit ich sie immer bei mir habe. Am Anfang half mir das sehr, manche unserer Wege konnte ich ohne das Ding nicht gehen. Dann lief ich zurück, um es zu holen. Inzwischen vergesse ich manchmal, es anzulegen, ich bin nicht so ein Schmucktyp. Das macht mir dann sofort schlechtes Gewissen, als würde es bedeuten, dass ich Panini vergessen habe, was natürlich weit weg von der Wahrheit ist. Jeden Abend, bevor ich ins Bett gehe, werfe ich einem Bild vom Brötchen eine Kusshand zu. Auch da stehe ich nochmal auf, sollte ich es vergessen haben, was aber so gut wie nie passiert. Rituale waren das, was Panini brauchte und jetzt brauche ich sie.

In den ersten Wochen nachdem Panini gegangen war, schaute ich dauernd im Internet nach heimatlosen Hunden. Ich wollte mich vergewissern, dass es nicht nur diesen einen Hund auf der Welt gab, dass großartige Tierschutzorganisationen großartige Hunde vermitteln und irgendwann einer von ihnen für mich bestimmt sein würde. Nach einer Weile hörte ich damit auf, weil ich mich ermahnte, auch das Leben mit ohne Hund als schön zu betrachten und das würde mit dem ständigen Hundegescrolle nicht gelingen. So richtig habe ich mich aber noch nicht wieder eingefunden. Wenn ich früher Mozzarella schnibbelte, bekam Panini immer drei kleine Stücke davon ab. Es war schwer, sich daran zu gewöhnen, dass von nun an der ganze Mozzarella mir gehören sollte, aber irgendwann schien es doch in mein träges Gehirn zu sickern. Vor ein paar Tagen räumte ich vor dem Schlafengehen die Küche auf und mich durchfuhr plötzlich der Gedanke, vorhin vergessen zu haben, Panini die drei Stücke zu geben. So etwas gibt es noch immer. Ein halbes Jahr kann kurz sein.

Ihre städtischen Hundemarken, die ich immer am Schlüsselbund trug, habe ich kürzlich abgemacht. Ich habe sie durch eine Hundemarke von Martin Rütters Initiative „Adoptieren statt produzieren“ ersetzt, mit der man für Tierschutzbelange spenden kann. Die Rückseite konnte man kostenlos gravieren lassen. Als die Marke eintraf, las ich über der Gravur die Inschrift „Made in Italy“. Ich hatte die passende Marke gekauft.

Das könnte dich auch interessieren

3 Kommentare

  • Antworten Yvonne 23. Juni 2024 um 20:55

    Liebe Heidi,
    wieder hast Du treffende Worte gefunden – manche der von Dir beschriebenen Situationen erlebe ich auch gelegentlich. Allerdings ging mein erster Hund schon vor 23 Jahren. 🙂
    Von Herzen alles Liebe,
    Yvonne

  • Antworten Britta 19. Juli 2024 um 18:10

    Tja… Loslassen ist das Schwerste…

    Mein erster Hund Domino ist diesen Monat 26 Jahre tot, dann gab es 24 Jahre Haustierpause und vor gut zwei Jahren stolperte die wunderschöne, eigensinnige, anstrengende, verfressene und (meistens) liebe Asya in unser Leben… Nach Dominos Tod (genauer gesagt Einschläfern) wollten meine Eltern und ich erstmal kein Tier mehr… Wir wollten keine extra Sorgen, keinen extra Stress und keine unnötige Trauer mehr erleben müssen… Und so vergingen die Jahre und Jahrzehnte ohne Haustier (die Spinnen und Ameisen im Haus nicht mitgerechnet), manchmal vermisste ich etwas, meistens aber nicht, im Grunde war es gut, wie es war…

    Dann kam – zwar nicht überraschend, aber dennoch traumatisierend – vor gut drei Jahren ein sehr großer Verlust und eine überwältigende Trauer über mich, auch ohne Haustier, als mein Vati zu unserem Domino gehen musste (und natürlich auch zu den anderen, die vor ihm gegangen waren)… Und irgendwie habe ich dann gespürt, Sorge, Stress, Leid und Trauer begleiten einen ohnehin im Leben, zwischendurch machen sie Gott sei Dank auch mal Pause, aber am Ende holen sie einen doch immer wieder ein, auch ohne Haustier eben… Und dann hab ich gespürt, dass es dann ja eigentlich auch egal ist… Dass wir immer wieder loslassen müssen, ob wir wollen oder nicht und dass das kein Grund ist, sein Leben lang auf einen tierischen Weggefährten zu verzichten… Und ich hab gespürt, ich war wieder soweit, die Zeit war reif…

    Der Rest ist Geschichte… Asya ist schon zwei Jahre bei uns und inzwischen auch etwa 5 Jahre alt; die Zeit bleibt nicht stehen… Es war und ist nicht immer leicht mit ihr (über ihre Inkontinenz hatten Du, Heidi, und ich vor zwei Jahren mal ein paar eMails ausgetauscht), sie ist 50% Husky und hat zu allem eine Meinung, die sie auch vertritt… 🙄 Aber irgendwas ist immer, das ist das Leben mit einem Haustier bzw. das ist das Leben an sich, gehört dazu… Missen möchte ich Asya nicht mehr, aber ich weiß auch, dass einer von uns früher gehen und einen Teil des anderen mitnehmen wird, welcher mit dem Verlust weiterleben muss – und wahrscheinlich werde ich das sein… Tja… 🙁 Aber darüber denke ich morgen nach, die Zeit rennt, aber trotzdem denke ich morgen darüber nach, weil gerade heute ist – und das ist gut so…

    Jetzt ist Asya hier bei uns, ein Teil meines gegenwärtigen Lebens, und ich bin dankbar dafür, dass sie am Todestag meiner Mutti vor zwei Monaten bei mir war und nicht in Russland, wo sie geboren wurde… Als mein Partner und Asya mich abends aus dem Pflegeheim, in dem meine Mutti verstarb, abholten, kaute ich etwas lust- und trostlos an einem kalten, durchgeweichten Cheeseburger von McDonald’s… Und was macht Asya? Völlig schmerzbefreit und bar jeden Mitgefühls versucht dieses verfressene Ding mir, mir, die ich mich vor Erschöpfung und Trauer im Delirium befand und damit völlig hilflos war, gnadenlos den Cheeseburger aus der Hand zu starren! Ihre Welt war in diesem Moment zusammengeschrumpft auf diesen einen alten, gammeligen Cheeseburger in meiner Hand… Das nenne ich mal, den Moment leben, oder? 😁 Und genau in diesem Moment, nur einen Wimpernschlag lang, hat Asya mir tiefen Trost gespendet; danke dafür… 🙏

    Am nächsten Tag hätte ich sie zwar wieder gegen die Wand klatschen können, als sie einen Hund, der uns ziemlich friedlich entgegen kam, am liebsten gefressen hätte… Halleluja, der Alltag hatte uns wieder… Und der Alltag ist so wertvoll, weil er uns hilft, unseren Weg weiterzugehen, auch wenn diejenigen, die uns verlassen haben, einen Teil von unserem Herzen stehlen und mitnehmen, aber mit dem Rest machen wir weiter, und dieser Rest ist doch meistens noch groß genug, um sich wieder zu öffnen – wenn wir bereit sind… ✌️

    In diesem Sinne… Das Leben ist eines der härtesten, aber nur so funktioniert es nunmal… Alles Gute für Dich, liebe Heidi, und ich werde Deinen kurzweiligen Blog gerne weiter verfolgen, Hand drauf! 😉

  • Antworten Corinna 24. November 2024 um 3:50

    Deine Worte könnten meine sein. Mir geht es wie dir. Ich habe meinen geliebten Justus vor vier Monaten gehen lassen. Heute frage ich mich: Wie konnte ich nur? Es war zu früh. Aber es wäre immer zu früh gewesen. Dass ich ihn überleben würde, daran habe ich nie gedacht.

    Heute trage ich seine Asche um meinen Hals, zünde jeden Abend eine Kerze für ihn an und sage ihm, dass ich ihn lieb habe. Wie du sagst, können sechs Monate wahnsinnig kurz, aber auch wahnsinnig lang sein. Mittlerweile betrachte ich die Zeit ohne ihn nicht mehr als „Zeit ohne ihn“, sondern als „weniger Zeit ohne ihn“. Vier Monate weniger ohne ihn – vier Monate weniger, bis wir uns wiedersehen.

    Er war der Hund meines verstorbenen Vaters. Ich hatte ihn meinem Vater geschenkt, weil ich fest daran glaubte, den Verlust meiner Mutter nicht überleben zu können. Als mein Vater plötzlich verstarb, legte sich Justus auf meine Brust, und ich überschüttete ihn mit meinen Tränen. Er war immer da – in jeder dunklen Stunde, wärmte mich, wenn die Heizung streikte.

    Er war alles, was ich besaß, und gerade jetzt wäre so ein Moment, in dem ich ihn ganz dringend brauchen würde. Doch er ist nicht mehr da.

    Und dann erwische ich mich, genau wie du, auf Tierschutzseiten. Ich habe mich für einen 11-jährigen Hundeopi entschieden. Er wird meinen geliebten Justus niemals ersetzen können, aber vielleicht wird er ihm eines Tages erzählen können, dass ich ihn noch immer unendlich liebe.
    Danke für deine schönen Worte, es ist tröstlich zu wissen, dass man nicht alleine ist.
    In meiner Trauer bin ich auf eine Seite gestoßen, die ich wirklich toll finde: Vergissmeinnie. Es handelt sich um eine sehr einfühlsame und moderne Trauerbegleitung. Sie bieten Vorträge und Gesprächstermine rund um das Thema Tierverlust an. Besonders schön finde ich die Idee, ein Erinnerungsstück an seinen Hund zu gestalten – entweder im Hamburger Atelier oder ganz bequem von Zuhause aus. Als lieb gemeinter Tipp für jeden Trauernden, der nicht schlafen kann und diese Seite besucht. Alles Gute. https://vergiss-mein-nie.de/collections/tiertrauer

  • Hinterlasse einen Kommentar

    Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner