Draußen

Das magische Geschäft

8. November 2025
Ein Hund wartet hinter der Tür

Das Besuchstier und Donald Trump haben eines gemeinsam: Sie machen beide gern Geschäfte. Allerdings macht sie kein großes Aufhebens darum, das ist dann meine Aufgabe. Überhaupt stehe ich ihr für den Fall des Falles immer beratend zur Seite, obwohl das in der Regel nicht nötig ist. Wenn das Geschäftsklima günstig ist, ist das Besuchstier jederzeit bereit. Ich vermute, es ist einfach eine Frage der Haltung. Neulich war es wieder soweit – das Tier hatte eine Geschäftsidee und ließ sich nieder, um die Sache erfolgreich abzuschließen. Ich nutze dann üblicherweise die Zeit, um eine mitgebrachte Tüte, deren Vorder- und Rückseite wie Pech und Schwefel aufeinanderkleben, unter Fluchen und mit ungelenken Bewegungen meiner im Winter immer klammen Finger auseinanderzufriemeln. Im Augenwinkel sehe ich dann das Tier triumphal mit den Pfoten scharren und weiß, dass jetzt mein Einsatz kommt. Mit der unter Mühen geöffneten Tüte bücke ich mich leicht, um dann mit gekonntem Schwung die größten Ahornblätter zu umgehen, auf dass sich nur das Eigentliche in dem knisternden Sackerl einfinden möge. Doch an diesem Tag war die eingeübte Abfolge aus Bücken, Schaufeln, Aufrichten und Zuknoten unterbrochen. Denn auf das Bücken folgte das Suchen. Wo mochte das Geschäft sein? Ich bog Halme zur Seite, sortierte Blätter von rechts nach links, steuerte unschuldige Erdbrocken an, um dann doch von ihnen abzulassen. Das war es nicht, wonach ich suchte. Ich nahm ein Stöckchen zu Hilfe und lüpfte alles an, was die freie Sicht auf den Erdboden verdeckte. Nichts. „Wo warst du denn eben?“, fragte ich das Besuchstier, doch das konnte sich offenbar selbst nicht erinnern und schien dem nächsten wichtigen Termin entgegenzustreben.

Im Sommer wäre alles viel einfacher. Dann kämen jetzt Heerscharen von Fliegen und ich müsste nur der langen Warteschlange vor dem Buffet folgen. Ich habe mich immer gefragt, wie das möglich ist. Wo sind die alle noch fünf Sekunden zuvor gewesen? Ich sehe nie auch nur eine Fliege, aber sobald das Geschäft erledigt ist, sind sie da. Riechen die das? Und wenn ja, womit? Haben Fliegen Nasen? Und nochmal wenn ja, könnte man sie nicht vielleicht trainieren, wie Hunde? Als Drogenfliegen am Zoll, zum Beispiel? Dann hätten sie was zu tun und müssten nicht in Büschen herumlungern und auf Hundehaufen warten. Oder wo auch immer die sonst üblicherweise abhängen. Jetzt aber helfen mir weder solche Überlegungen noch die Fliegen weiter. Es ist zu kalt dafür. Ich bin ratlos. Ich nehme die Sache mit dem Aufsammeln sehr ernst. Einmal hatte ich keine Tüte mehr und es war auch weit und breit niemand in Sicht, den ich hätte fragen können. Also ging ich zu einem Kiosk und bat um irgendetwas zum Aufsammeln. Der Mann hinter dem Fenster gab mir seine zerknüllte Frühstückstüte, die streng nach Leberwurst roch. Panini verstand damals nicht, dass es kein Geschenk für sie sein sollte. Einmal wickelte ich ein Geschäft in der Not in eine FFP2-Maske, das Einzige, was ich noch in der Tasche hatte. Damit war ich schon recht nah an Jürgen Drews, der in einer Sendung von „Der VIP-Hundeprofi“ mit Martin Rütter die Hinterlassenschaft seines Hundes mit der bloßen Hand aufgesammelt hatte. Und jetzt sollte ich den Ort des Geschehens einfach so verlassen? Was wäre das für ein Geschäftsgebaren?

Wenn wenigstens ein anderer Hund käme, der würde mir sicher den Weg weisen. Aber wenn man mal einen braucht, kommt keiner. Ich taste mich wie ein Reispflücker in gebückter Haltung vorsichtig vorwärts, immer in äußerster Gefahr, mein Vorhaben mit den Schuhsohlen zu einem unglücklichen Ende zu bringen. Inzwischen habe ich das Gefühl, dass mir hinter den Fenstern der Straße, die die kleine Grünfläche umschließt, mehrere Augenpaare folgen. Irritiert, gespannt, vorwurfsvoll. Sie könnten Zeugen sein, dass ich es bin, die für eine beispiellose Verschmutzung der Stadt verantwortlich ist. Wie entlarvend und ehrlos wäre es, jetzt die Tüte einfach wieder einzustecken? Alle wüssten, dass ich einen unabdingbaren Vorgang abgebrochen habe. Immer verzweifelter pflüge ich mich durch die Halme, während Amy ungeduldig von einem Bein auf das andere trippelt. Können wir nicht endlich weiter gehen? Nach einer halben Ewigkeit sehe ich endlich einen dicken Käfer durch die Blätter eilen. Er trägt eine orangefarbene Weste und führt einen blauen, winzig kleinen Müllsack bei sich. Zumindest meine ich, das bei näherem Besehen deutlich zu erkennen. Ganz offensichtlich ist er für den Abtransport von Unrat verantwortlich. Ich weiß: Ihm muss ich folgen, er wird mir zeigen, wo ich hingreifen muss. Und tatsächlich: Unter einem großen Blatt, auf das er zustürmt, scheint etwas zu glänzen. Schnell greife ich zu, zögere kurz und lasse dann einen winzigen, kaum sichtbaren Rest für den Käfer zurück. Sein mühevoller Einsatz über Stock und Stein darf nicht ohne Lohn bleiben. Erleichtert und mit rotem Kopf richte ich mich auf und darf endlich das Sackerl schließen. Das Besuchstier schüttelt tadelnd mit dem Kopf. Was machst du denn da unten? Gab’s da was zu schnüffeln? „Jetzt lass mich doch auch mal“ sage ich und hoffe, dass alle Fenster geschlossen sind und mich niemand hören kann. Am liebsten würde ich meinen Arm siegreich in die Höhe recken und das schwarze Tütchen als Zeichen meiner vorbildhaften Verantwortung für das Viertel, die Stadt und das Universum über meinem Kopf hin und her schwenken. Aber ich sehe dann doch davon ab und lasse es stattdessen in die große Tonne an der Ecke plumpsen. „Wir können, Amy“, sage ich, aber das Besuchstier ist in Gedanken ohnehin schon ganz woanders. So ist das eben – that’s business.

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