Hunde daten ist phantastisch. Es gibt kein Ghosting und kein Gaslighting und obendrein ist es von Anfang an klar, wer wen zum Essen einlädt. An diesem Samstag war ich an einer Art Speeddating mit Hunden, dem Bark Date in Frankfurt. Die Veranstaltungsreihe wurde Ende 2023 von der Tierschützerin Lisa Williamson ins Leben gerufen, seither gibt es Bark Dates in vielen deutschen Städten. Das Prinzip: Tierschutzvereine und Pflegestellen ermöglichen ein zwangloses Kennenlernen von Hund und Mensch in einer “natürlichen” Umgebung. Keine Box, kein Zaun, keine Gitter, sondern einfach eine nette Wiese. Fotos zeigen so wenig vom Charakter eines Hundes, nicht selten kommen Hunde auf Bildern schlechter weg als in Wirklichkeit. Nicht jeder Vierbeiner ist ein geborenes Model (ich fühls, ihr Wuffels, ich fühls). Bei einer persönlichen Begegnung lässt sich viel leichter feststellen, ob vielleicht ein erster Funke überspringt und ob es matchen könnte. Dating eben. Und wer Berührungsängste gegenüber Tierheimen hat, fühlt sich in einem Park sicher wohler und geht leichter auf einen Second-Hand-Hund zu.
Ich bin an diesem Tag keineswegs wild entschlossen, einen Hund zu finden. Ich will einfach mal schnuppern, auch das verbindet mich mit vielen der anwesenden Hunde. Das Bark Date in Frankfurt findet auf den weitläufigen Niddawiesen statt, einem Hundefreilaufareal, das es gewohnt ist, bebuddelt und berannt zu werden. Früher bin ich hier oft große Runden gejoggt und habe mich dabei beinahe immer verlaufen, das Gebiet ist etwas unübersichtlich. Aber schön ist es hier und durch das weithin hörbare Bellen wird es noch schöner. Als ich ankomme, wird bereits überall zaghaft gelockt, hinter Öhrchen gekrault und verzückt bestaunt. Ein Hund, der noch ein Zuhause sucht (es sind auch viele andere da), ist an einem roten Halstuch erkennbar, auf dem “Adopt me” steht. Manche tragen es beinahe stolz und modebewusst, anderen ist es im Spiel und beim Rennen längst verrutscht und es sitzt schief und krumm.
Es sind Schüchterne da und Draufgänger, Junge und Alte, Große und Kleine. Insgesamt etwa 30 Hunde hängen hier gemeinsam mit ihren Betreuern ab und die meisten scheinen den sonnigen Tag und die Aufmerksamkeit zu genießen. Es ist ein bisschen wie ein Familientag im Freibad – die Betreuenden haben Decken ausgebreitet und halten etwas zu Trinken und zu Naschen bereit. Ich bin ein bisschen schüchtern, obwohl ich am liebsten alles über die anwesenden Hunde wissen will. Aber ich möchte auch nicht vor jemandem im Weg herumrumstehen, der ein ernsthaftes Interesse an dem jeweiligen Tier hat. So stelle ich mich meist einfach nur dazu und höre mir die Antworten auf die Fragen anderer an. Und ich beobachte.
Sie sind alle sehr liebreizend, die meisten außerdem sehr hübsch. Der vielleicht schönste von allen ist Harley, ein 10-jähriger mehrfarbiger Rüde mit ein bisschen “Hüfte”. Er ist eindeutig die Kategorie “Kein Model”, auf einem Foto lässt sich seine erhabene Ruhe, sein kluger Blick nicht ansatzweise einfangen. Ein Hund, der aussieht, wie ein Deutsch Kurzhaar tobt fröhlich herum, auch er ein besonders schöner Hund. Er datet zwischendurch einfach mal mit seinesgleichen. Die Kandidaten kommen aus Ungarn und Bulgarien, aus Frankreich, Griechenland und Rumänien und wer weiß noch woher.
Die meiste Aufmerksamkeit bei diesem Bark Date in Frankfurt bekommt ein zweijähriges blondes Wuschelmädchen, das sich von allen streicheln lässt und aussieht, wie für eine ZDF-Vorabendserie gecastet. Zwei edle französische Laufhunde suchen scheinbar nach Menschen, die ebenso sportlich sind wie sie selbst, während Junghund Toffee den herrlichen Mittag in der Sonne für ein Nickerchen nutzt. Sie würde ihn nicht in die Nähe von Kaninchen lassen, sagt seine Begleitung und lacht. Alleinbleiben wäre auch nicht so seins, aber das könne er noch lernen. Der Charme von Toffee zieht viele Interessenten an, selbst während er chillt, können ihm einige nicht widerstehen. Vielleicht auch gerade deshalb.
Ein etwas schüchterner, aber sehr freundlicher Hund tut sich noch schwer mit dem Autofahren und beim Geschirr anziehen. Alles kommt hier auf den Tisch, oder besser auf die Wiese. Niemand käme hier auf die Idee im Stile nichtssagender Internet-Inserate “Er wünscht sich nichts sehnlicher als ein weiches Körbchen” zu blubbern. Das hier, das spürt man, sind ganz normale Hunde mit ganz normalen Bedürfnissen, je nach Alter, Erfahrung oder Rasse. Einige sind bereits einen langen Weg gegangen, haben sich geöffnet, Vertrauen gefasst. Ihre Begleiterinnen und Begleiter berichten es nicht ohne Stolz und halten zugleich weiterhin schützend ihre Hände über sie. Die Interessierten merken das und nähern sich behutsam. Ein schwarzer, etwas tiefergelegter Hund lässt sich lange kraulen und findet Bark Dates offenbar super.
Und dann ist da, inmitten all der vielen Vier- und Zweibeiner, doch dieser eine, der mein Herz mehr berührt als alle anderen. Er gehört nicht zu den Wuseligen und wenig Fokussierten. Er gehört zu den Ernsthaften, dessen Blick in zwei Sekunden alles sagt. Man fährt nach Hause und der Blick ist immer noch da, so ernst, so wichtig war er. Der Hund sieht mich an und ich gucke zurück. Ich kann dich nicht nehmen, sage ich ihm damit. Da, wo ich wohne, ist es nicht gut für dich. Aber du wirst ein gutes Zuhause finden. Ich bin sicher. Du bist besonders. Und der Hund schaut mich an, weitere zwei Sekunden, ernst. Und ich schaue weg, weil ich denke, dass es besser ist so.
Dann gehe ich langsam über die Wiese zurück zu meinem Fahrrad. Was soll nach dieser Begegnung noch kommen? Das Bark Date ist auch bald vorbei, mehr als zwei Stunden Aufregung sollen die Hunde nicht haben. Die Stimmung ist friedlich und gelöst. Ein paar Menschen haben heute eine neue Liebe gefunden, ein paar Hunde ein Zuhause. In den nächsten Wochen wird es für die Interessenten weitere Dates mit ihrem auserwählten Tier geben. Sie geben Auskünfte und lassen eine Vorkontrolle über sich ergehen, so wie es sich bei einer ordentlichen Vermittlung gehört. Mit dem Unterschied, dass das Kennenlernen auf einer großen Wiese stattfand. Nicht der schlechteste Start für eine große Love Story.
7 Kommentare
Ich freue mich über deinen Bericht, so weiß ich nun von Bark Dates und kann am nächsten Wochenende gleich eines in Hamburg besuchen. Zur Sicherheit werde ich einen Erziehungsberechtigten mitnehmen, damit ich keine Dummheiten mache :-).
Hallo Heidi das ist ja mal ne gute Idee! Bark Dating – noch nie davon gehört, aber es klingt sehr gut und ansprechend…
Es ist richtig, dass es für die Hunde angenehmer ist. Und für die Menschen auch. Keiner ist hinter oder vor einem Käfig… Eine gute Voraussetzung zum Kennenlernen (-:
Du findest bestimmt deinen 2. Herzhund. Es war noch nicht die Zeit…
Liebe Grüße Doris
Das ist ja eine wunderbare Idee. Lieben Dank für diesen schönen Artikel.
Liebe Grüße Dorothea
In Wien hat es vor kurzem auch ein solches Date gegeben. Leider wurde darüber nicht annähernd so berührend berichtet wie Du es machst. Zu dem Hund mit dem ernsten Blick: natürlich weiß er, daß es nicht geht ihn zu nehmen. Deswegen schaut er auch so wie er schaut. Er weiß allerdings, daß er dazu prädestiniert ist genau da zu wohnen wo es nicht geht. Er ist ein Hund für “durch dick und dünn” und nicht nur für die schönen Seiten im Leben. Und ich fresse einen Besen (Sprichwort), wenn er Dir aus dem Kopf geht. Ganz liebe hündische Grüße von Brigitta mit 4 Hunden, die da wohnen wo es nicht geht.
😀 In diesem Fall müssen wir beide vernünftig sein. Weder die drei Stockwerke noch die turbulente Umgebung meiner Wohnung wären gut für ihn. Und anders als Panini könnte ich ihn nicht mal tragen. Nein, er geht mir nicht aus dem Kopf, aber es muss auch passen. Ich kann nur hoffen, dass andere seinen Blick auch wahrgenommen haben.
Schöne Idee! Nett beschrieben.
Von Bark Dates höre ich an dieser Stelle auch zum ersten Mal, tolle Idee! 👍 Danke für den Beitrag und viel Glück auf der Suche nach einem neuen Weggefährten (ein bisschen auf der Suche im Sinne von “ich schaue mich mal um” scheinst Du ja schon zu sein)… 😉