Drinnen

Wo bistn du?

6. Mai 2023
Hunde im Badezimmer

Das Tier und ich teilen uns eine Wohnung. Wie es beim Zusammenleben nun einmal ist, brachte es beim Einzug eigenes Mobiliar mit ein, allem voran vier Liegegelegenheiten in drei Räumen. Nun beanspruchen einzelne Mitbewohner üblicherweise nicht unbedingt Platz für vier Betten in der Wohnung, aber bitte. Wären meine Räumlichkeiten weitläufiger gestaltet, hätte ich vermutlich auch noch in der Küche und im Badezimmer einen Liegeplatz vorgesehen, damit das Tier überall und jederzeit seine seit jeher arthrotischen Gelenke weich und in unmittelbarer Nähe von mir betten kann. Früher war das Badezimmer allerdings für das Brötchen von eher geringem Interesse. Ich erinnere mich gut, als es mich das erste Mal beim Duschen aufstöberte und mich mit erstauntem Blick ansah. „Du machst dich komplett nass?“ sagte er. „Hast du dich denn heute in Fuchskacke gewälzt? Hab ich gar nicht mitbekommen!“ Ich erklärte dem interessierten Tier, dass Menschen sich öfter und vollkommen freiwillig ganz nass machen und das tunlichst, bevor sie beginnen, übel zu riechen. Panini blieb verblüfft. Rätsel Mensch.

Darüber hinaus aber war das Badezimmer für das Brötchen der unattraktivste Raum der Wohnung, er hatte ja kein Körbchen, Fressen gab es da auch nicht und obendrein wurde man hier von Zeit zu Zeit abgeduscht, ob man wollte oder nicht. Doch das hat sich geändert. Seit Panini das gesetzliche Rentenalter erreicht hat, wird das Badezimmer immer wichtiger. Denn das Tier ist anhänglicher und schwerhöriger geworden. Verschwinde ich längere Zeit aus dem Blickfeld und es dringen keine lauten Koch- oder Putzgeräusche aus den Räumen, ist das Badezimmer Paninis erster Anlaufpunkt, um nach mir zu sehen.

Wenn ich morgens aufstehe, bleibt das Tier traditionell noch liegen. Entscheidet es sich dann doch dazu, sich hochzuwuchten, tippelt es zu allererst ins Badezimmer. Die Wahrscheinlichkeit, mich dort zähneputzend oder duschend anzutreffen, ist groß. Ich habe mir deshalb angewöhnt, die Tür nur anzulehnen, damit sie jederzeit sehen kann, dass ich nicht etwa heimlich die Wohnung verlassen habe, sondern (für sie) da bin. Beinahe jeden Morgen öffnet sich nun der Türspalt und es erscheint ein rosa-grau gemusterter Nasenspiegel, gefolgt von einem weißen Bärtchen, der weißen Nase mit den grauen Streifen auf dem Nasenrücken und den großen braunen Augen, bis sich schließlich zwei, manchmal auch nur eines der Ohren durch den Spalt drücken. Es ist mein erstes Highlight des Tages. „Isch pusche noch Schähne, isch komm gleisch“ sage ich dann mit der Zahnbürste im Mund. Das Tier staunt mich noch kurz an und geht wieder zurück ins Bett.

Das Badezimmer wird zum Dreh- und Angelpunkt des Geschehens. Bevor ich zu einem Termin aufbreche oder abends weggehe, steure ich diesen kleinen Raum an und das Tier kombiniert messerscharf, dass ich mir womöglich nicht für den gemeinsamen Fernsehabend die Haare aufonduliere. Das will dann beobachtet, beargwöhnt und gegebenenfalls missbilligt werden. „Du gehst weg?“ Ja, Brötchen, aber ich bin bald wieder da. Das Tier resigniert und ich kann nicht anders, als die Wohnung mit einem schweren Herzen zu verlassen. Später dann wird das Badezimmer noch einmal eine Rolle spielen, wenn ich mich bettfertig mache, allerdings nicht, bevor nicht auch am Tier einige Rituale vollzogen wurden. Die Augen müssen gereinigt, die Zähne überprüft und geputzt werden. Erst dann kommt meine Routine an die Reihe. Das eigentlich bleiern müde Tier steht dann noch einmal auf, um nach mir zu sehen. „Wo bistn du? Kommst du auch schlafen? Oder gehst du wieder weg?“ Ich gehe selten nach dem Abschminken im Schlafanzug aus, aber man wird ja wohl nochmal fragen dürfen. Menschen machen ja alles Mögliche. „Isch pusche noch Schähne, du hasch ja schon“, sage ich dann, aber das Tier bleibt misstrauisch. Wenn es länger dauert, weil ich plötzlich der unausweichlichen Meinung bin, dass heute, jetzt um 0 Uhr und 17 Minuten, der richtige Zeitpunkt für ein wahlloses Anti-Aging-Treatment oder die komplizierte Detailpflege einer seit Jahren vernachlässigten Körperstelle gekommen sei, dann kommt Panini mehrmals – als stumme Ermahnung, dass Schlaf noch immer das beste Anti-Aging Treatment ist. Dann trotte ich brav hinter ihr her ins Schlafzimmer, wo sie sich bereits im Hundebett platziert hat, mit einem Ausdruck, als warte sie darauf, dass ich ihr eine Geschichte vorlese. Davon sehe ich dann doch ab. Aber ich erinnere mich immer an ein einmal gesehenes Blechschild mit der Aufschrift „Always kiss your dog goodnight“ und so geschieht es. Ich gehe schlafen und und bemerke bereits Vorfreude auf das erste Highlight des Tages im Badezimmer.

© max-rahubovskiy – pexels.com

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6 Kommentare

  • Antworten Inken 6. Mai 2023 um 16:29

    Dass sich einzelne Teile des Gesichtes durch die Badezimmertür drängeln, kenne ich nur zu gut. Ebenfalls die mahnenden Blicke! Wieder einmal eine Freude von Panini zu lesen.

  • Antworten Britta 6. Mai 2023 um 16:54

    Genau so,nur gehe immer weniger weg.Der Hund findet das doof.Besser Öhrchen kraulen.Es macht weniger Spaß weg zu gehen,wenn man weiß der Hund wartet.Und kuckt so….

  • Antworten Sissi 6. Mai 2023 um 18:57

    Es schreibt wahrlich keiner so gut wie du über eure innige Beziehung! Bravo!

  • Antworten Regina 6. Mai 2023 um 20:34

    Danke, Heidi! Genau so ist es. Nur hat es noch niemand so schön beschrieben.

  • Antworten Lena 7. Mai 2023 um 13:41

    Herrlich! Danke für deine Geschichten, ich mag sie sehr gerne lesen.

  • Antworten Dorothea 8. Mai 2023 um 20:04

    Wunderbar liebe Heidi, Immer wieder grossartig zu lesen.

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