Der Tod gehört zum Leben dazu. Das ist eine Binsenweisheit und doch trifft er uns oft, als hätten wir eine seltene und unerhörte Ereigniskarte mit besonderem Ausmaß gezogen. Im Oktober starb meine Mutter – eine Ausnahmesituation für mich und damit auch für Panini. Unser Leben war plötzlich geprägt von großer Unruhe, es wurde viel telefoniert, ich richtete die Wohnung für Familiengäste her, Menschen kamen und gingen. Ich bemühte mich, alle Rituale aufrecht zu erhalten, vorrangig für Panini, aber vielleicht auch für mich. Mag kommen, was da wolle – der Hund muss raus. Ich machte auch Quatsch mit ihr wie immer, um sie nicht zu verunsichern. Ich musste mich dabei nicht verstellen, Paninis Fähigkeit, Freude zu bereiten ist kraftvoll und ihre Sonne scheint durch den dicksten Nebel. Trotzdem stand sie oft mitten im Raum und sah mich an. Irgendetwas, das wusste sie genau, war hier nicht in Ordnung. Manchmal schnupperte sie vorsichtig an mir, interessiert, aber rücksichtsvoll. Wie Trauer wohl riecht?
Zur Beerdigung hatte Panini bei Freunden Unterschlupf gefunden. Mein Verlust war ja auch nicht ihrer. Sicher, sie war der etwas verwirrten und für Hunde sicher verwirrenden alten Dame öfter begegnet. Für Panini war die Demenz meiner Mutter von Beginn an kein Grund, auf die Distanz zu gehen. Ihre freundliche Neugier Menschen gegenüber kennt kaum Grenzen, entsprechend nachsichtig ist sie gegenüber schwer einschätzbaren Verhaltensweisen. Doch meine Mutter hatte sich nie getraut, Panini zu streicheln. Ich wünschte, sie hätte einmal gefühlt, wie weich sie ist, hätte ihre Zuwendung annehmen können. So blieb es beim beiderseitigen Interesse ohne direkten Kontakt. Panini wird nicht merken, dass sie fehlt. Beunruhigt war der Hund jetzt dennoch.
Als ich Panini am Abend nach der Beerdigung nach Hause holte, schien sie nicht mit der Wiederkehr von Normalität zu rechnen. Sie sah mich immer wieder fragend an. Es gab Gute-Nacht-Kekse, wie immer. Ihr Blick sagte: Wenigstens das. Eine deutliche Erleichterung bemerkte ich erst, als ich Tage später das Gästebett wieder in ein Sofa verwandelte. Sie schubberte sich ausgiebig an dem Sofa, als müsste sie es begrüßen. Ihr Blick sagte: Jetzt wird alles gut.
Inzwischen hat mich eine Erkältung heimgesucht. Trauerhallen können sehr kalt sein. Panini schnuppert wieder viel an mir. Wie riecht Schnupfen? Noch immer wird oft telefoniert. Manchmal sieht Panini mich dabei an. Ist alles in Ordnung? Es gibt eine Extraportion Pansen und die Spaziergänge werden nicht gekürzt. Nach längerer Abwesenheit kommt sie jetzt nachts wieder ins Bett. Obwohl ich huste. Sie sieht wohl nach mir. Morgens scheint manchmal die Sonne und das im November. Aber ohne Panini wäre dieser Herbst sehr dunkel.
28 Kommentare
Liebe Heidi, ich drücke Dich und hoffe, dass wenigstens die Erkältung bald Ruhe gibt!
Danke sehr! Ja, das hoffe ich auch. Sie entfaltet immerhin eine gewisse Dynamik.
Oh Heidi, ich bin in Gedanken bei dir! Und wie immer hast Du es geschafft die Emotionen so zu beschreiben, daß sie mir direkt unter die Haut gehen. Berührte Grüsse, Anne
Vielen Dank, liebe Anne!
Ach Heidi,
es tut mir sehr leid, dass Du Deine Mutter verloren hast. Mein herzliches Beileid.
Du hast es wunderschön in Worte gepackt, wie einfühlsam unsere Hunde sein können.
Fühl Dich gedrückt, einen Elternteil zu verlieren ist wirklich existenziell. Das Gefühl von Verlust wird bleiben aber mit der Zeit lernt man mit dem Schmerz umzugehen.
Liebe Grüße
Birgit
Dankeschön für Dein Mitgefühl, Birgit!
Liebe Heidi,
mein herzliches Beileid! Ich weiss wie Sie sich fühlen … meine Mom ist im Juli d. J. verstorben.
Nicht nur, dass uns dieser Mensch sehr fehlt … wir verlieren damit auch ein Stück Kindheit und
unser eigenes Leben wird unwiderruflich endlich. Aber so ist das Leben!
Auch meine Hündin war für solche Gefühle sehr empfindsam und wusste genau, wie sie mit mir
umgehen muss. Ich bin sehr froh, dass Sie Ihre Panini haben!
Ich wünsche Ihnen viel Licht und Sonne in diesem dunklen Herbst! Alles Liebe, herzliche Grüße
Brigitte
Da haben Sie wohl recht. Danke für Ihre guten Wünsche und Ihre Anteilnahme!
Liebe Heidi,
auch von mir herzliches Beileid. Voriges Jahr ist meine Frau innerhalb von vier Monaten an Krebs gestorben und sie war die letzten 8 Tage bis zum Tod bei mir zu Hause. Unser Hund Milow, ein Eurasier, hat sie begrüßt als sie aus dem Spital heimkam und dann die ganze Woche ignoriert. Erst acht Stunden vor ihrem Tod ist er zu ihr gegangen, hat ihr über die Hand geschleckt, sie hat noch einmal die Augen aufgemacht und er hat ihr tief in die Augen geschaut, dann hat er sich umgedreht und ist raus gegangen. Na ja und acht Stunden später ist sie gestorben. Und dann hat er drauf bestanden dass alles seinen gewohnten Gang weiter geht. Nur halt ohne sie. So gesehen hat er mir gar keine Chance gelassen in der Trauer zu versinken.
Unsere Hunde sind schon etwas besonderes…
Alles Liebe und viel Kraft,
Erwin
Lieber Erwin, auch wenn Dein Verlust schon etwas zurückliegt, will ich Dir mein Mitgefühl ausdrücken. Verrückt ist das mit den Hunden. Wie gut, dass Du ihn hattest! Danke für Deine guten Wünsche.
Mein aufrichtiges Beileid, Heidi.
Ich schicke dir einen warmen Gruß und ein wenig Kraft und Zuversicht.
❤
Danni
Vielen Dank, liebe Danni!
Liebe Heidi,
mein Aufrichtiges Beileid.
Der Tod der Mutter ist als Kind das schlimmste was passieren kann.
Mit dem tot meiner Mutter war ich plötzlich kein Kind mehr. Und auch nach fast 9 Jahren ist der Schmerz nicht mehr so groß wie am Anfang aber immer noch da.
Wünsche dir und Panini alles Liebe.
Danke für Deine guten Wünsche und Dein Mitgefühl!
The weight of the world
is love.
Under the burden
of solitude,
under the burden
of dissatisfaction
the weight,
the weight we carry
is love.
— from “Song” Howl and Other Poems, City Lights 1956. Allen Ginsberg.
Danke Dir sehr!
Meine aufrichtige Anteilnahme und nun gute Genesung… Ich glaube unsere Hunde riechen die Traurigkeit, ohne zu wissen, was das ist… Sie riechen Krankheit und Stimmungen. Ich bin sicher.
Viele liebe Grüße
Sabine mit Socke
So scheint es wohl zu sein! Danke euch!
Mein herzlichstes Beileid! Meine Mutter zu verlieren wird das Schlimmste für mich sein, das es gibt – wir sind eher wie sehr enge Freundinnen und sie ist der wichtigste Mensch für mich, den es gibt. Ja, auch mit 35 noch.
Ihr Verlust tut mir schrecklich leid! Es ist so gut, dass wir unsere Hunde haben. Sie wissen genau, wenn es einem schlecht geht und ich finde, der Umgang mit seinem Hund erdet einen irgendwie – sei es beim Spaziergang, beim Streicheln oder beim Zusehen, wie er schläft.
Alles Gute und viel Kraft für Sie!
Christine & Juna
Vielen Dank für die guten Wünsche und Ihr Mitgefühl!
Mein aufrichtiges Beileid und Mitgefühl zu Deinem Verlust. Viel Kraft für Dich. Fühle Dich umarmt.
Dankeschön, liebe Annemarie.
Hallo Heidi, auch ich habe im Oktober meine Mama verloren. Der Verlust ist grenzenlos. Unsere Hope hat sie das letzte mal 4 Wochen vor ihrem Tod gesehen. Sie ist zu meiner Mutter aufs Bett gesprungen, hat geschnuppert, den Schwanz eingezogen, uns angeschaut und vom Bett gesprungen. Sie hat dem Krebs und den Tod mit Sicherheit gerochen und wusste schon lange vor uns was passieren wird. Wir hatten damals noch keine Ahnung, und hofften auf nur eine Kleinigkeit. Leider hat es das Schicksal anders gemeint. Ich bin 53 und selbst schon Oma, aber…. sie war halt meine Mama, egal wie alt wir sind.
Ich fühle mit dir.
Liebe Bettina, das tut mir sehr leid. Ja, es ist egal, wie alt wir sind und wie alt unsere Mütter waren. Mama ist eben Mama. Ich denke auch, dass euer Hund wusste, was los ist. Faszinierend und erschütternd zugleich. Danke für Deinen Kommentar.
Liebe Heidi,
mein Mitgefühl für Dich und euch.
Auch meine Mutter ist vor einigen Monaten gegangen, und wie schon beim Tod meines Vaters vor einigen Jahren:
meine unaufgeregten Hunde waren die größte Stütze für mich in den Trauerzeiten, ohne die ich den Weg in den täglichen Rhythmus nur langsamer geschafft hätte.
Aber dem Hund sind die Tränen irgendwann zuviel, dann wird das Bällchen vor die Füße geknallt, auffordernd geschaut, mit allem gewedelt was so geht, und zack, beginnt man zu lachen.
Weinen und lachen kann so nah beinander liegen.
In diesem Sinne wünsch ich Dir auch beide Seiten leben zu können.
VG Sol
Das tut mir sehr leid.
was Hunde durch ihre Beobachtungsgabe und ihren Geruchsinn so alles mitbekommen, ist immer wieder verblüffend.
Ich bin auch regelmäßig erstaunt, wie meine drei Musketiere miteinander umgehen. Wenn ich wissen möchte, was bei de dem einen Hund gerade schräg läuft, muss ich mir meist nur das Verhalten der beiden anderen ansehen.
Liebe Grüße
Unser Hund war eine Wasserratte. Sie ist immer kopfüber ins Wasser gesprungen und war nicht mehr zu halten, wenn sie Wasser sah. Eines Tages fiepte sie leicht beim Reinspringen. Wir dachten, dass Sie sich ein Splitter eingezogen hat, aber es wurde nicht besser … eher viel schlimmer. Also sind wir zum Tierarzt gegangen. Der Tierarzt schaute sich die Pfote an und sagte, dass es nichts wäre und schickte uns weg. Die Tage vergingen und (Jule, so hieß sie) jaulte bei jeder Bewegung und lag nur noch unter dem Tisch. Also sind wir nochmal zum gleichen Tierarzt gegangen. Der röntgte ihre Pfote, nahm Blut ab und sagte, dass sie wahrscheinlich simuliert, aber schickte uns zum anderen Tierarzt. Am nächsten Tag gingen wir dann zu diesem Tierarzt … er schaute sich Jule an und röntge ihre Schulter. Er zeigte uns das Röntgenbild … man sah keine richtige Schulter mehr. Der Knochenkrebs hat ihre ganzen Knochen zerfressen und sie lebte nur noch für uns. Es war so schlimm, dass sie Morphium für ihren letzten Tag bekam. Sie durfte an dem Tag alles essen, was Sie wollte, denn am nächsten Tag, erlösten wir sie.
Das tut mir sehr leid.
Mein Vater ist auch unerwartet gegangen … er war für mich Vater und Mutter in einem.