Einmal Hund, immer Hund, heißt es gemeinhin. Was dabei gern unterschlagen wird: Die Naivität, mit der man zum ersten Mal einen kleinen Dreckmacher bei sich zuhause einziehen lässt, der danach vielleicht 15 Jahre lang so abhängig ist wie ein Baby, so anstrengend wie ein Teenager und so teuer wie ein Oldtimer, muss man sich bei seinen Nachfolgern erst wieder erarbeiten. Das Wort „Naivität“ gilt auch für diejenigen, die zuvor 48 Hundebücher gelesen haben, mit einem Hund aufgewachsen sind oder 23 Staffeln „Hundeprofi“ gesehen haben. Denn ähnlich wie beim Kinderkriegen bereitet einen nichts wirklich auf das vor, was nach dieser folgenschweren Entscheidung, sein Leben mit einem kleinen Überraschungspaket zu teilen, kommen wird. Während Menschen beim Kinderkriegen mit der Wahl des Partners das Schlimmste zu verhindern suchen, glauben sie mit Hilfe von Kriterien wie „Rasse“ oder „Fellstruktur“ einen Hund gezielt aussuchen zu können als wäre es eine Waschmaschine.
Aber Lebewesen bleibt eben Lebewesen. Es kann krank werden oder empfindlich auf die mittelprächtige Erziehung reagieren. Es kann Allergien haben oder einen Unfall. Es kann Stress anzetteln oder sich mit den falschen Kumpels einlassen. Es kann mental schwächeln, den Urlaubsort bestimmen und immer, wirklich immer liegt es dir viele Jahre auf der Tasche. Klar weiß man das alles vorher, aber wie es sich anfühlt, das weiß man nicht oder man vergisst es wieder. Dafür sorgt offenbar so eine Art Liebesdemenz, die sich immer dann einstellt, wenn man ein Lebewesen sehr sehr liebhat. Nur deshalb bekommen Menschen mehrere Kinder und besorgen sich Hunde in Folge. Und dennoch: die Naivität, die Blödigkeit des offenen Herzens muss man erst einmal wieder kommen lassen.
Während die guten Seiten des vorherigen Hundes die Suche nach einem neuen ganz sinnlos erscheinen lassen, weil es Wunderwesen nur einmal gibt, lähmen seine schlechten den Wunsch zur Suche. Was, wenn ein Nachfolger wieder diese Eigenschaften hat? Menschen, die einen Bernhardiner verloren haben, fühlen sich wieder von Bernhardinern angezogen und haben zugleich Angst, der neue Hund könnte Bernhardiner 1 zu ähnlich sein – aber dann doch nicht ähnlich genug. Sicherheitshalber könnte man nach Dackeln suchen, aber die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass man dann das bernhardinerhafte im Dackel besonders schätzt. Man will nicht vergleichen – aber wie könnte man nicht? „Mein neuer Hund ist ganz anders als der alte und das ist auch gut so“, sagen Menschen. Natürlich ist er das, kein Hund ist wie ein anderer. Aber die Hunde, die mir besonders auffallen, haben immer etwas paniniges. Und ich kann manchmal kaum unterscheiden, ob mich mein Herz zu diesem Hund zieht oder zu meinem, der mir so fehlt. Und was kann ich ihm bieten? Kein Leben auf dem Land, keine Familie, kein Haus mit Garten, keinen „souveränen Ersthund“ oder was sonst noch auf der Wunschliste der Tierschutzvereine steht.
Ein neuer Hund müsste bei mir klingeln und mit den Worten „Entschuldigen Sie, hätten sie vielleicht ein Stück Dörrfleisch oder etwas in der Art?“ bei mir einchecken. Ich würde ihm dann meine Vorräte zeigen und wir würden zusammen abhängen. Und dann würde er einfach bleiben, weil es ihm so gut gefällt. Das wäre viel einfacher als nach Testergebnissen auf Mittelmeerkrankheiten zu schauen oder Selbstauskünfte auszufüllen. Aber ich fürchte, ich muss es aushalten, dieses Ungewisse. Dass vielleicht der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen ist. Dass ich gerade nicht weiß, ob ich überhaupt nach einem Hund suchen sollte. Immerhin habe ich ein Besuchstier, das ich auch liebhabe. Trotzdem wünsche ich mir manchmal die Naivität von damals, mit der ich einen Hund mit einem unbehandelten Kreuzbandriss zu mir genommen habe und einfach dachte: Das schaffen wir schon.
Die Haustierlücke ist groß. Und irgendwo lebt jetzt ein Hund, der zu mir kommen soll. Er wäre froh über ein gutes Zuhause und es ist ihm ganz egal, wenn es im 3. OG ist. Er ist manchmal ein bisschen wie Panini, aber dann doch ganz anders.
„I just haven’t met you yet“ singt Michael Bublé.
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11 Kommentare
Deine Texte sind so zauberhaft und gehen zu Herzen! Ich wünsche Dir noch viel Freude mit dem Besuchstier und vielleicht klingelt ja irgendwann tatsächlich ein neuer Mitbewohner / eine neue Mitbewohnerin, wer weiß…
Liebe Heidi, vielleicht lässt du deine Tü4 ein bisschen offen stehen! Es kann ja sein, dass dein neuer Hund nicht an die Klingel kommt! Und bitte lass einen neuen Hund in dein Leben.! Ein Leben ohne Panini ist schlimm ( ich weiß es, weil ich nach dem Tod meines ersten Hundes Lieschen ) aber ein Leben ohne Hund ist doppeltschlimm. Bei uns ist schon kurze Zeit später eine neue Fellnase eingezogen — sie ist anders aber ebenso toll wie Lieschen und lebt jetzt schon sechs Jahre bei uns. Ich bin sicher, dass
Lieschen ihr unsere Adresse verraten hat. Also lass einfach deine Tür einen Spalt offen. Dem Hund ist es egal ob du ein Einfamilienhaus mit Garten oder eine Dachgeschosswohnung bewohnst — Hauptsache du hast ein Herz für Hunde, ein warmes Bettchen un€ ordentlich Leckeres
Heidi, pass bloß auf, sonst hast du auf einem ein Känguru. Die fragen erst nach Mehl, dann nach Eiern und dann…..
Ich bin mir aber sicher: Irgendwo lauert schon ein bellendes Wesen darauf, dass du es entdeckst. Panini macht das schon 🙂
Sehe ich genauso! 😉
Es sollte natürlich „auf einmal ein Känguru“ heißen.
Liebe Heidi, du sprichst mir mal wieder aus der Seele. Wohnhaft im Nordend, 2014 zog mein erster Hund ein. Ich war mit Naivität und Enthusiasmus bewaffnet. Er biss in arglose Passanten und irgendwann auch in mich. Es hat mich viel gekostet, ihn zu managen und halbwegs gesellschaftstauglich zu machen. Dann wurde er krank, Bandscheibenvorfall, Krebs, Demenz. Seit September bin ich nun wieder alleine. Mittlerweile könnte und sollte wieder ein Hund einziehen. Aber leider fehlt mir die Naivität vom Anfang. So wird jeder mögliche Kandidat aufs Genaueste geprüft. Gibt es Verhaltensauffälligkeiten? Zeichnen sich Verletzungen oder Krankheiten ab? Finde ich ihn überhaupt süß? Es wird wohl noch eine Zeit brauchen, bis alles wieder passt.
All diese Gedanken habe ich auch… Zum Glück gibt es unsere liebe Socke noch. Sie ist mittlerweile gute 17,3 Jahre alt.
Ein Leben ohne Hund ist für mich kaum vorstellbar, weil dieser alte, schon lange sehr kranke Hund schon lange meinen Alltag bestimmt.
Aber wer kann Socke folgen? Wie kann ich jemals wieder so unwissend einen Hund aufnehmen, der dann der beste Hund der Welt ist. Wer sieht so zauberhaft aus und wer ist so sozial, dass ich sie überall mitnehmen kann…
Ich weiß was Du meinst. Ich weiß es soooo gut und ich hoffe, dass es darauf eine Antwort gibt. Eine Antwort für Dich und eine Antwort für mich in vielen Jahren….
Alles Gute
Sabine mit Socke
Ihr Lieben, ich verstehe euch so gut.
Eigene Hunde begleiten mich seit 40 Jahren, alle geliebt, egal wo unsere Probleme lauerten. Dann kam der eine, mein Seelenhund würden manche sagen. Ich mag das Wort nicht für das was es war.
Finley war für mich …ach, ich weiß keinen Ausdruck dafür. Seit ich ihn gehen lassen musste ist auch ein Teil von mir gegangen.
Jeden Tag begleitet er mich in Gedanken.
Trotzdem ist wieder ein anderer , lebenshungriger, liebevoller und geliebter Hund in meinem Leben. Ganz anders als Finley. Vielleicht wird es nie so werden wie mit diesem einen.
Aber lieben können wir einander und uns vertrauen und auf uns achten und alles weitere werden wir sehen.
Ich wünsche euch dass ihr immer einen Hund in eurem Leben habt.
Ela und Henry
Sie schickt Dir einen neuen Schatz, weil sie möchte, dass er es auch so gut hat wie sie es einst hatte und weil es Dir und dem neuen Hund gut tun wird.
Der neue Hund istt anders, vielleicht total anders, aber nach und nach wirst Du Parallelen zu Panini feststellen. Weil Du ihn ein Stück weit prägst, wie auch eure Rituale und eure Lebensweise. Dann wirst Du schmunzeln und dankbar an Panini denken.Dankbar die die tolle Zeit mit ihr und auch dankbar, dass es wieder ein bisschen ähnlich ist.
So geht es mir gerade.
Ich bin wirklich mit einer ganz wunderbaren und empathischen Leserschaft gesegnet. Ich danke euch für die tollen Kommentare!
Liebe Heidi, ich habe ordentlich geweint, als ich von Deinem Verlust gelesen habe.
Meine Hündin ist noch bei mir, aber im Coronajahr 2021 hatte ich nach langem Überlegen und Abwägen beschlossen, einem zweiten armen Seelchen aus dem (Auslands -)Tierschutz ein besseres Zuhause zu ermöglichen. Meine Naivität ging schon eher in Richtung ausgemachte Dummheit , weil ich dachte, ein Hund aus der gleichen Ecke der Welt, von der gleichen Tierschutzhilfe müsste doch so ähnlich sein wie mein Lottchen und wir würden alle ein wunderbar friedliches, beschauliches Leben führen.
Ähhh…, nö!
Was da aus der Transportkiste schoss, war ein Mix aus Clown und Abrissbirne und ich habe in den ersten zwei Monaten oft genug voller Überzeugung gesagt: dieser Hund kann nicht bleiben, der passt gar nicht, die macht uns wahnsinnig!
Natürlich blieb sie und mittlerweile finde ich die krassen Unterschiede zwischen beiden Hunden einfach nur faszinierend –
echte Persönlichkeiten eben!
Ich will damit sagen, jeder Hund ist ein Abenteuer, das man nicht planen kann, egal wie sehr man es versucht.
Das ist eine Entscheidung, die Du nicht denken, sondern fühlen musst und wie schon von anderen gesagt, das wird sich finden. Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen: auch zwei Jahre intensiver Grübelei konnten mich nicht auf das vorbereiten, was da auf mich zusprang.
Wenn Du soweit bist, Augen zu und ab ins nicht so kalte Wasser. Du weißt, wie es geht!
Liebe Grüße
Anja, Lottchen und „Kröte“