Wir haben alle nicht viel Zeit, deshalb hier meine Antwort in Kurzform: Nein.
Wer gerade Lust hat, etwas zu lesen, dem führe ich diese Ansicht aber auch gern etwas aus. Das Internet ist ein Quell der Freude, aber auch ein Ventilator, der in der Lage ist, einen unendlichen Strom umherfliegenden Schrotts großflächig zu verteilen. Dazu gehören beliebte und oft in zweifelhafter grafischer Qualität gestaltete Zitatkärtchen. Sie sind äußerst kitschig und werden gern von Ferengi genutzt, die damit Reichweite für ihre Marken generieren wollen, die wahlweise wirkungslose Anti-Zeckenmittel, kontraproduktive Zahnsteinlöser, Armbänder mit Pfotenmuster oder obskure Hundegadgets im Programm haben. Bunte Kitsch-Zitatkärtchen mit den immer gleichen Sprüchen lassen die Reichweite sofort explodieren, denn scheinbar alle Hundebesitzerinnen und -besitzer werfen augenblicklich mit Herzchen und Likes um sich.
Die Zitate lauten dann „Je mehr Menschen ich kennenlerne, desto mehr mag ich meinen Hund“, „Wer nie einen Hund gehabt hat, weiß nicht, was lieben und geliebt werden heißt“ (aktuell eingesetzt von einer Hundefuttermarke aus dem Hause Nestlé, bekanntermaßen ein Kompetenzzentrum in Sachen Liebe), „Der Hund ist das einzige Wesen, das dich mehr liebt als sich selbst“, „Ein Hund der bellt, ist mehr wert, als ein Mensch der lügt“ und natürlich „Hunde sind die besseren Menschen“. Ich habe schon erwogen, meinerseits ein paar Kärtchen zu erstellen, vielleicht mit Zitaten wie: „Je mehr ich Käse kennenlerne, desto mehr mag ich Brokkoli“ oder „Die Hose ist das einzige Kleidungsstück, das an den Beinen besser passt als an den Armen“, „Wer niemals liebt, hat nicht geliebt“ oder vielleicht auch „Eine volle Tasse Kaffee ist tausendmal mehr wert als hundert leere Teetassen.“ Ich fürchte aber, ich würde damit nicht so viel Likes einsammeln wie mit den Hundesprüchen.
Es gibt da draußen nicht wenige Zeitgenossen, die von anderen Menschen so enttäuscht sind, dass sie sich lieber den Tieren zuwenden. Sie sind überall zu finden, wo Tierschutz draufsteht. Das ist im Einzelfall bestimmt nachvollziehbar. Es lässt aber die nicht unwesentliche Tatsache außer Acht, dass die Betreffenden selbst Menschen sind. Und jeder Hund weiß das auch. Scheinbar sind Hunde aber ganz schön doof, dass sie Menschen hartnäckig gut finden, obwohl sie doch so eine minderwertige, verdammenswerte Spezies sind. Hunde und Menschen jeweils auf eine Waagschale zu setzen und sie dann zu gewichten, ist eine seltsame Angewohnheit und bedeutet wirklich, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Ja, wir sind alles Säugetiere und wir sollten unseren Mitgeschöpfen Respekt entgegenbringen und sie achten. Wenn ich dem Tier allerdings mit Selbsthass begegne und es auf einen Sockel hebe, ist keinem geholfen.
Angenommen, ein Hund und ein Kind kämen in stürmischer See in Not und man selbst könnte (warum und wie auch immer) nur eines der beiden retten – würde man den Hund wählen, nur weil er nicht lügen kann? Wäre unsere Gesellschaft eine bessere, wenn wir Hunde den Menschen vorzögen? Sicher, es würde Tierleid verhindert, aber ist es dafür nötig, den Menschen zu verachten? Oder kann sich Empathie und Freundlichkeit nicht auf alle Lebewesen erstrecken? Warum muss man Mensch und Tier vergleichen als stünden sie im sportlichen Wettbewerb um ihren Liebenswert? Hunde sind keine Alternativen zu Menschen, weil beide unterschiedliche Eigenschaften mitbringen. Ich kann mit meinem Hund nicht über die Möglichkeiten von KI diskutieren, Panini hilft mir auch nicht, ein Regal zu montieren und ich kann mit ihr nicht ins Museum gehen. Und ja, Menschen lügen nun mal. Ich wette, Hunde würden es auch tun, wenn sie es könnten. Schummeln können sie ja schon mal. „Hunde sind die besseren Menschen“, das soll heißen: Hunde sind treu, ehrlich, verzeihend und loyal. Hunde sind aber auch opportunistisch, stur und egoistisch. Es gibt Hunde, die wahre Arschgeigen sein können, obwohl sie nie schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht haben. Im Gegenteil – Hunde können menschliche Schwächen gnadenlos ausnutzen, um ihren eigenen Vorteil zu erreichen. Ich weiß nicht, wie es bei euch ist, aber mein Hund liebt mich keineswegs mehr als sich selbst. Panini ist es vollkommen wurscht, ob ich schlafen will, wenn sie nachts Zuwendung braucht. Sie würde mich auch nicht aus lebensgefährlichen Situationen retten wie Lassie. Sie hängt an mir, weil ich ihr Bezugsmensch bin. Den hat sie sich nicht ausgesucht, es bleibt ihr gar nicht viel anderes übrig als mich zu mögen. Und ja, ich bin auch ganz schön nett zu ihr, es wäre ein ziemlich unfreundlicher Akt, wenn sie mich doof finden würde. Das war es auch schon, viel romantischer wird es nicht mehr.
Um also am Ende noch eine weitere Kurzfassung für die Frage in der Überschrift zu liefern: Hunde sind nicht die besseren Menschen, weil sie keine Menschen sind, keine sein wollen und auch keine sein sollten. Wer von Hunden Menschliches erwartet, bürdet ihnen zu viel Erwartungen auf. Und wer alle Menschen für eine Fehlkonstruktion der Niedertracht hält, sollte nicht vergessen, dass er selbst einer ist. Finde den Fehler.
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