Draußen

Haufenweise Sorgen.

18. Oktober 2015

Es gibt einige Verhaltensweisen, die geeignet sind, den Grad der Zuneigung zum Hund zu testen. Doch keine kommt dem Härtetest gleich, den das Kotfressen darstellt. Nichts verursacht sonst diese ganz spezielle Mischung aus Ekel, Entsetzen, Enttäuschung, Ärger und Sorge. Als Panini das erste Mal einen Happen Verdautes zu sich nahm, war ich fassungslos. Es hatte mich kalt erwischt, denn zuvor war sie drei Monate lang vollkommen desinteressiert an solchen Köstlichkeiten. Zum Glück, denn das half mir später bei der Einordnung der möglichen Ursachen. Und wie um mich ein für alle mal abzuhärten war das Objekt der Begierde auch noch so unfassbar widerlich, dass später nur noch eine Attacke auf eine menschliche Hinterlassenschaft mit anschließendem beschwichtigenden Lecken meiner Hand einen größeren Grusel auslösen konnte. Da ich sie danach nicht unmittelbar mit einem Schild „Habe mich verlaufen. Bitte bring mich irgendwohin, nur nicht nach Hause“ in einen Eurocity nach Rom gesetzt habe, betrachte ich unsere Beziehung als unerschütterlich gefestigt.

Anfangs kamen die Fressangriffe auf Hundekot selten vor. Doch dann wechselten Phasen täglicher Versuche, Kot aufzunehmen mit Ruhezeiten des Desinteresses. Mir wurde klar, dass wir hier ein ernsthaftes Problem haben. Oder sagen wir, mehrere. Das kleinere betrifft mich. Denn es ist natürlich nicht leicht, dem Tier die Schnauze zu säubern, weder äußerlich noch innerlich. Wie soll ich ihr denn bei dieser Beikost Leckerchen aus der Hand geben, von anderen Annäherungen mit der Schnauze mal ganz abgesehen? Es ist ein hygienisches Desaster.

Auch verursachte mir das Ganze ziemlichen Stress, den ich an sie übertrug. Ich werde so gut wie nie laut oder unfreundlich mit ihr, aber in diesen Momenten bin ich so entsetzt, dass ich sie kräftig angepfiffen habe. Das hat sie überhaupt nicht verdient, denn sie kann es ja nicht verstehen. Und genutzt hat es natürlich nichts. Sie weiß längst, dass sie es nicht soll, aber sie kann einfach nicht anders. Der Impuls ist zu stark.

Das größere Problem aber ist, dass sie etwas aufnimmt, von dem ich nicht weiß, ob es ihr schadet. Ist der Verursacher ihrer Mahlzeit gesund und ernährt sich ordentlich, das Mahl halbwegs frisch, ist die Gefahr gering. Es könnten aber auch Medikamentenrückstände enthalten sein und natürlich jegliche Art von Parasiten und anderem Getier. Um meinetwillen und um des Hundes Willen – ich musste die Sache unbedingt abstellen.

Was, um alles in der Welt, ist die Ursache für’s Kotfressen?

Ich googelte mich wund. Wie so oft ist die Bandbreite der Meinungen und des Pseudowissens nahezu unerschöpflich. Bei den Ursachen der sogenannten Koprophagie gibt es im wesentlichen zwei Fraktionen. Die einen sagen, Kotfressen sei ein Ausdruck eines Mangels. Die anderen halten es für nichts weiter als eine schlechte Angewohnheit. Nicht aus Sicht der Hunde natürlich. Sie fressen es, weil’s ihnen schmeckt. Könnt ja Frolic drin gewesen sein. Eine weitere (kleine) Gruppe hält jeden Hund für schwer gestört, der so etwas tut. Natürlich interessierte mich die erste These am meisten, denn dann wäre das Kotfressen nur ein Symptom, die Ursache viel wichtiger. Die meisten Stimmen sprechen von „Mineralienmangel“. Ich fragte die Tierheilpraktikerin. Achwas. Sagte sie. Ihr fehlen keine Mineralien, ihr fehlen Enzyme. Das ergab für mich Sinn. Denn schon damals zeichnete sich ab, dass Panini eine Bauchspeicheldrüsenschwäche hat. Der Beweis stand noch aus, aber einiges deutete darauf hin. Es würde auch mit dem Auftreten der Kotfress-Attacken zusammen gehen, denn eine akute Bauchspeicheldrüseninsuffizienz wird oft durch Medikamente ausgelöst. Und damals bekam Panini so einige fiese Pillen wegen ihres Spondylose-Schubs.

So. Und was kann man da machen?

Dieser Fährte folgend haben wir in den letzten Monaten folgendes ausprobiert, alles (außer dem Handkäs) für mindestens 4 Wochen, meistens länger:

* Moorliquid, ein natürliches Produkt aus Moor, das angeblich oft geholfen hat

* KoproStop, eine spezielle Mischung aus Vitaminen, Mineralien und Enzymen

* überreifer Handkäse – das streng riechende Zeug soll enzymhaltig sein (Käselab)

* Grüner Pansen (vom Lamm, getrocknet), wird ebenfalls oft wegen der Enzyme empfohlen

* Kanne Enyzm-Fermentgetreide, ebenfalls sehr enzymhaltig zum Aufbau der Darmflora

* frische Papaya (enzymreich)

Geholfen hat nichts davon. Ich konnte keinerlei Besserung feststellen. Das soll nicht bedeuten, dass das alles nicht hilfreich sein kann. Aber entweder half es eben bei meinem Hund nicht, oder noch nicht genug. Es ist durchaus möglich, dass 3 Monate zu kurz sind, um damit etwas zu verbessern, man besser 6 – 12 Monate anpeilen muss.

Und was, wenn doch die anderen Thesen stimmen? Ich habe meinen Hund sehr gut beobachtet. Tatsächlich kann Kotfressen auch dann auftreten, wenn sie sich sehr gestresst fühlt. Dann ist es eine Übersprungshandlung, die ihr ein gutes Gefühl geben soll, um vom Stress runter zu kommen. Habe ich sie etwa nach einer Attacke geschimpft, konnte es vorkommen, dass sie ein zweites Mal zugriff, weil sie es nicht aushielt, angegiftet zu werden. Daran kann man sehr gut erkennen, wie ungeheuer nutzlos schimpfen ist. Es konnte vorkommen, dass sie Kot aufnahm, wenn wir sehr in Eile waren, ich hektisch war, sie weiter zog und sie in einer unbekannten Umgebung war. Dann war tatsächlich Stress die Ursache, der Wunsch, sich mit Fressbarem zu beruhigen. Das heißt aber nicht, dass das die Hauptursache war, denn solche Situationen gab es sehr wenige.

Und wenn es eine Angewohnheit wäre? Aus den Zeiten des Mangels, der unsauberen Zwinger? Ich glaube nicht daran, denn warum hätte sie dann 3 Monate gewartet, um damit zu starten? Warum wäre sie oft vollkommen uninteressiert an den dollsten Haufen?

Ist es wirklich widernatürlich?

Mir hat es geholfen, mir klar zu machen, dass mein Hund nicht abartig oder verhaltensgestört ist. Hundemütter fressen Hinterlassenschaften ihrer Welpen. Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse rund um die Anfänge der wunderbaren Partnerschaft zwischen Mensch und Hund gehen davon aus, dass es eine wichtige Funktion der Wölfe auf dem Weg zum Hund war, menschliche Lager sauber zu halten. Das gilt nicht nur für Essensreste, sondern auch für Fäkalien. Grundsätzlich ist es nicht seltsam, dass Hunde so etwas tun. Allerdings sollten sie bei gut gefülltem Napf nicht das Gefühl haben, es zu brauchen, wenn doch, stimmt etwas nicht.

Ratschläge wie „Ich würde das mit einem ‚nein’ konsequent unterbinden“, sind natürlich lächerlich, denn ich brülle nicht bei jedem Haufen „nein“, an dem der Hund vorbei kommt, viele sehe ich nicht einmal. Der Hund müsste ausschließlich bei Fuß gehen und ich dürfte nur noch auf den Boden starren. Es gibt nur eine Lösung: Ich muss dafür sorgen, dass der Hund nicht mehr glaubt, die Haufen zu brauchen.

Unser Lösungsweg.

Wir sind auf einem sehr guten Weg. Seit über vier Wochen lebt der Hund – mit einem Ausrutscher – kotabstinent. Ich habe noch einmal auf das Thema „Darmflora-Aufbau“ gesetzt und ihr 6 Wochen lang fermentierte Kräuter gegeben. (FitBarf Darmflora von cdVet) Gleichzeitig habe ich ihre Ernährung umgestellt, sie bekommt jetzt überwiegend rohes Futter (weiterhin ausschließlich bio). Darüber werde ich sicher gesondert berichten. Den Pansen gibt es jetzt frisch. Papaya landet weiterhin im Napf. Ihre Mahlzeiten sind jetzt enzymreicher denn je. Mein Gefühl sagt mir, dass das Interesse am Kotfressen gänzlich verschwunden sein wird, wenn die Bauchspeicheldrüse sich wieder erholt hat und normal arbeitet. Ich bin selbst gespannt, ob ich recht habe.

 

Titelbild © ImmOrtal – istockphoto.com

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6 Comments

  • Reply Blumenmond 19. Oktober 2015 at 5:50

    Dann drücke ich mal die Daumen, dass das klappt. Für Panini und vor allen Dingen für Dich.

    • Reply Heidi 19. Oktober 2015 at 20:37

      Dankeschön! Ach, wird schon …

  • Reply regenfrau 19. Oktober 2015 at 22:46

    Liebe Heidi,
    ach, wieso nur kommt mir soviel in deinem Beitrag so bekannt vor?
    Ich bin gespannt, wie es weitergeht!

  • Reply Heike 29. Januar 2021 at 22:39

    Liebe Heidi, es ist zwar schonbeine ganze Weile her, seit du deinen Beitrag geschrieben hast, aber ich habe ihn eben erst entdeckt, und war erstens sehr begeistert von deiner lebendigen und lustigen Art, zu schreiben, und zweitens haben wir hier ein ähnliches Thema (mit noch nicht ganz geklärter Ursache. Drum würde mich sehr interessieren, wie es bei euch weiterging….? 🙂

    LG
    Heike

    • Reply Heidi 4. Februar 2021 at 18:18

      Hallo Heike,
      danke für das Kompliment! Bei uns ist es inzwischen so: Das Problem ist nicht vollkommen verschwunden, tritt aber nicht mehr so oft auf. Es wird stärker, wenn Panini einen grummeligen Bauch hat und irgendetwas nicht stimmt. Es gibt Phasen, wo sie mehr dazu neigt, dann kümmere ich mich besonders darum, dass ihre Darmflora in Ordnung ist und sie keine schwer verdaulichen oder unbekannten Sachen zu fressen bekommt (z. B. sehnige Kauartikel). Im großen und ganzen leben wir damit, weil es manchmal lange Zeit nicht vorkommt. Weitere Maßnahmen als die genannten habe ich nicht unternommen.
      Viele Grüße
      Heidi & Panini

  • Reply Christiane Freese 14. Juni 2022 at 17:38

    Liebe Heidi,
    Vielen Dank für den wirklich sehr unterhaltsam geschriebenen Artikel.
    Wir haben das gleiche Problem mit Menschenkot.
    Eine Frage: welche Menge Papaya (frisch / getrocknet) und wie häufig davon, sollte ich zum Futter geben?
    Meine kleine Hündin wiegt 6 Kilo.
    Vielen Dank für eine Antwort!

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