Draußen

Ich hab auch einen zuhause.

11. Juni 2016

Zu den unangenehmen Erfahrungen des Hundebesitzeres zählt die Erkenntnis, dass andere Hundebesitzer keineswegs gleichgesinnte Genossen sein müssen, sondern dass sie zuweilen rechte Arschgeigen sein können. Ob es sich bei dem entgegenkommenden angeleinten Menschen um ersteres oder letzteres handelt, weiß man leider oft erst nach der Begegnung, die gelegentlich eine unschöne sein kann.

Von diesen will ich heute aber gar nicht berichten, sondern andersherum von den wunderbaren und unverhofften Treffen mit Hundemenschen. Unverhofft deshalb, weil zuvor nichts darauf hindeutet, dass es sich überhaupt um Hundemenschen handelt. Zumindest nicht für mich. Bei Panini sieht das ganz anders aus. Mein Hund hat einen zuverlässigen Detektor für Menschen und filtert in Sekundenbruchteilen die heraus, die Hunde-affin sind. Betreten zwei Handwerker meine Wohnung, begrüßt sie beide, dann aber kann es gut sein, dass sie sich schamlos und zielgerichtet einem der beiden an den Hals wirft. Sollte das passieren, muss ich nicht lange warten und es wird ein Satz gesprochen, der manchmal erfreut und überschwenglich, manchmal zärtlich oder gar sehnsuchtsvoll, aber immer verständnisvoll und nachsichtig ausgesprochen wird. Er lautet: „Ich hab auch einen zuhause.“ Panini sortiert aus allen Menschen Hundehalter heraus.

Und während sie ihre frisch gewonnenen Freunde mit großen Augen bestaunt, erfahre ich oft etwas über alte, große, dicke, verletzte, ganz junge, rein- oder gemischtrassige Hunde. Wenn Hundebesitzer andere Hunde sehen, denken sie an ihre, die jetzt nicht da sein können und deshalb müssen sie etwas über sie erzählen. In ihrer Fantasie tollen dann beide Hunde um sie herum, der eigene und der fremde. Und sie sagen so etwas wie: Du würdest dich gut mit meiner Emma verstehen, die ist auch so groß wie du. Oder: Unser Bruno ist schon alt, der könnte jetzt nicht mehr mit dir spielen. Es berührt mich immer wieder, wenn Schornsteinfeger, Postboten, Müllmänner und die unterschiedlichsten Passanten beim Anblick von Panini von ihren eigenen Hunden erzählen. Sie alle bekommen dann ganz weiche Stimmen und kraulen gedankenverloren meinen Hund, während sie in Wahrheit den ihren kraulen, den sie in diesem Augenblick vermissen.

Neulich stand ich an der Ampel und ein älteres Paar kam hinzu. Panini und der Mann konnten ihre Blicke nicht voneinander wenden und sie legte ihren Kopf an sein Bein. Es war ganz typisch. Jetzt musste er kommen, der Satz, der eigentlich in diesen Situationen immer kommt. Doch dann sagte der Mann leise: Meiner ist vor drei Wochen gestorben. Die Ampel wurde grün und Panini lief neben dem Mann her ohne den Blick von ihm zu nehmen. Auf der anderen Seite trennten sich unsere Wege und mir blieb kaum mehr Gelegenheit zu sprechen, als mein Beileid auszudrücken. Was will man machen, sagte der Mann. Als wir nach Hause gingen, hoffte ich, es würde nicht zu lange dauern, bis Paninis Freund bei Hundebegegnungen aufs Neue den einen Satz sagen kann, der die Welt für Hundemenschen wieder heil werden lässt.

Und ja: Der Satz könnte natürlich auch „Ich hab auch WELCHE zuhause“ lauten.

Diese und viele weitere Panini-Geschichten gibt es jetzt auch im E-Book “Ein Hund namens Brötchen”

Bild: © mediaphotos – istockphoto.de

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9 Kommentare

  • Antworten Nadine 11. Juni 2016 um 20:22

    Oh wie schön 🙂 das ist ja eine tolle Begegnung da bekomme ich Gänsehaut.
    Meinem Mann geht es da ganz genauso andersrum, wenn er als Handwerker zu Kunden kommt und die erst mal versuchen ihren Hund zu bändigen dann sagt er immer lass ihn ruhig los ich hab auch zwei zu Hause 🙂
    Liebe Grüße
    Nadine

  • Antworten Andrea 11. Juni 2016 um 21:11

    Das ist wirklich eine sehr rührige Geschichte von und über Panini und Du kannst das immer sooo schön in Worte fassen…

    LG Andrea mit Linda

  • Antworten Blumenmond 12. Juni 2016 um 10:31

    Wie rührend.

  • Antworten Julia von Tiergezwitscher 14. Juni 2016 um 18:25

    SCHÖÖÖÖÖN ❤️
    Und auch traurig…

  • Antworten Rina 4. Juli 2019 um 21:14

    Als unsere erste Dalmatinerhündin vor 12 Jahren starb, ging es mir ähnlich wie dem alten Mann. Ich bin ein absoluter Hundemensch, damals waren die Begegnungen mit fremden Vierbeinern schmerzlich und tröstlich zugleich. Hunde sind so tolle Wesen

  • Antworten Christine 9. August 2019 um 19:37

    Mich hat deine Geschichte auch tief bewegt und mir feuchte Augen beschert.
    Ich bin auch so ein Hundemensch, ich fühle mich zu jedem Hund hingezogen und umgekehrt die Hunde zu mir……,mein Hund ist vor 8 Wochen verstorben.
    12 tolle Jahre und mein bester Freund fehlt so sehr.

    • Antworten Heidi 9. August 2019 um 19:43

      Oh, das tut mir sehr leid. Ich fühle mit dir.

  • Antworten Fatima 23. November 2019 um 0:37

    Eigentlich dachte ich immer, ich sei ein Katzenmensch. Irgendwann viel mir auf, dass alle möglichen fremden Hunde zu mir kamen und Kontakt suchten. Mittlerweile habe ich jetzt einen Hund und mich überrascht die Seelenverwandschaft täglich neu. Die bedingungslose Liebe, aber auch der unglaubliche Sturkopf einer Appenzeller Sennenhündin. Nunja, wie der Herr so das Geschär, heisst es mundartlich. Ich wurde gewählt und das ist ein wunderschönes Gefühl.

  • Antworten Mareike 26. Januar 2020 um 1:07

    Guten Abend,

    Das ist wirklich eine schöne und sehr traurige Geschichte zugleich. Ich musste gerade einen dicken Kloß hinunterschlucken.

    Beste Grüße,

    Mareike & Loki von LokisLife.de

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