Draußen

Gassi gehen.

13. April 2015

Ich weiß nicht, wer das erfunden hat. Das Gassi gehen. Diesen Begriff. Er ist wirklich seltsam. Vielleicht passt er zu der älteren Dame mit der pinkfarbenen Steppjacke, die wir immer treffen und die jeden Abend zu ihrer Malteser-Hündin sagt: „Ei, jetz hoste Pipi gemacht. Ei, jetzt konnste doch widder hoim gehe.“ Aber zu mir?

Alles im Leben von Hundehalter und Hund liegt in Verkleinerungsform vor. Selbst einen irischen Wolfshund, der mühelos als Bauzaun arbeiten könnte, wird man immer in sein „Körbchen“ schicken, das man vermutlich zuvor mit einem Hebekran über das Fenster in den Raum gebracht hat. Frauen, die gottlob seit Jahrzehnten den „Fräulein“-Status losgeworden sind, werden nun wieder zum „Frauchen“. Näpfe voller Innereien, die eine olfaktorische Mischung aus alten Socken, Limburger Käse, Nierenspieß und Babywindel verströmen, werden zum „Fresschen“ und die komplette Welt jenseits der Haustür ist nun eben das Gassi. Oder muss es „die Gassi“ heißen? Ich weigere mich, diesen Begriff zu verwenden. Wir gehen raus. Das muss reichen.

Auch wenn diese Beschreibung im Grunde zu profan ist für die wissenschaftliche Arbeit, die Panini draußen zu erledigen hat. Erst wusste ich nicht genau, was sie da tut. Heute ist es mir klar: Sie nimmt Bodenproben. Das ist eine sehr anstrengende Tätigkeit, die besondere Kenntnisse erfordert. Und vor allem: Sie muss schnell gehen, sonst wird man daran gehindert. Wenn es ganz schlimm läuft, bekommt man die Probe entrissen und all die Arbeit – Lokalisieren einer geeigneten Probenstelle mittels Nasenradar, Entnehmen der Probe unter Ganzkörpereinsatz und mit Schnauzenbohrung durch mehrere Sedimentschichten – war umsonst. Das kann frustrierend sein und wird umso niederschmetternder, wenn niemand außer einem selbst versteht, dass man zudem im Nebenberuf ein verwunschener Husky ist, der einen 8-Mann-Schlitten zu ziehen hat. Man selbst hat draußen nun wirklich wichtige Missionen zu erfüllen und alles, an was die Begleiterin scheinbar denkt, ist Gassi, Gassi, Gassi.

Aus dem Bodenbohrer entfernt habe ich in den letzten Wochen übrigens ein halbes Brötchen (ohne Belag), ein Stück Rosinenbrötchen (angeschimmelt), einen kleinen Knochen, einen grünen Frosch (Haribo), eine halbe Walnuss, ein Riesenmarshmellow, einen Korken, ein Bonbonpapier (Nimm 2), einen Bonbon (Multivitamin), eine Scheibe Salami (stark verschmutzt), ein Stück Pizza (ohne Belag) und ein Kondom (vermutlich gebraucht). Kleinere Proben wandern zu schnell zur Analyse ins Labor, als dass ich ihrer habhaft werden könnte. Erst viel später, wenn ich mit einer schwarzen Tüte hinter dem Tier stehe, wundere ich mich, weil ich die Bestandteile der vorabendlichen Fütterung gar nicht so farbenfroh in Erinnerung hatte. Leider verwandelt das Tier trotz des ersten glitzernden Anscheins nichts eselsgleich in Edelmetall. Im Zweifelsfall handelt es sich um die Reste einer Hanuta-Verpackung.

Diese und viele weitere Panini-Geschichten gibt es jetzt auch im E-Book „Ein Hund namens Brötchen“

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