Drinnen

Die Liebe in den Zeiten der Corona.

18. März 2020
Corona mit Hund

„Mein liebes Tier“, sage ich zu meinem ungeheuer verständigen, klugen und weltgewandten Hund, „es geht uns an den Kragen!“ Panini sieht mich verständnislos an. „Meinst du, du könntest für eine Weile auch mal die Zooplus Bio-Eigenmarke essen, du weißt schon, diese Putensache, die dir nicht so gut geschmeckt hat?“ Das Tier wendet sich ab. Also nicht.

Dann werden wir eben weiter die guten, teuren Sachen mit Frischkäse, Ei und Haferflocken strecken. Davon haben wir noch genug und ich bin froh, dass Panini nicht auf Toilettenpapier angewiesen ist. Ich sehe in ihre tellergroßen, glänzenden Moccaaugen und entdecke darin plötzlich 900 Gramm Biopansen, der noch im Gefrierschrank im Keller lagert. Den hatte ich ja ganz vergessen! Damit haben wir noch etwas Tolles zum Strecken. Paninis Blick bekommt etwas Fragendes. „Ja, mein Herz, es geht uns an den Kragen – aber wir haben noch Pansen.“ Der Hund rollt sich augenblicklich zu einem Bagel zusammen und schläft bereits, noch ehe er seine perfekte runde Form erreicht hat. Es gibt wenige Dinge, die so beruhigend sind, wie ein Gefrierschrank voller Lieblingssessen.

Während das Tier beginnt, leise zu schnarchen, starre ich auf meinen Kontostand. Als Freiberuflerin bin ich verratzt. Lohnfortzahlung im Pandemiefall ist nicht vorgesehen, meine Rücklagen habe ich schon vor langer Zeit zu Tierärzten gebracht. Andererseits bin ich privilegiert. Ich habe so viele Vorteile in dieser Situation, dass es mich selber schon verblüfft. Während sich unzählige Menschen hektisch ein improvisiertes Home-Office am Küchentisch einrichten müssen, sitze ich wie gewohnt in meinem sehr gut ausgestatteten Büro. Allein. Niemand sitzt mir gegenüber, mit dem ich meine Videokonferenzen abstimmen muss und ich muss mich auch nicht während der Arbeit um Kinder kümmern, die das alles nicht verstehen. Das geliebte Tier ist bei mir und wir können uns nicht gegenseitig anstecken. Ich darf es drücken und knutschen so oft ich will. Ich habe auch kein Reisebüro oder bin Eventveranstalter oder Einzelhändler. Es sieht nicht gut aus mit der Einnahmenlage, aber ich bin nicht binnen 24 Stunden auf null, wie viele andere. Das Tier berechtigt mich zu Spaziergängen, selbst bei einer Ausgangssperre darf der Hund noch um den Block. Zwar treffe ich niemand, habe aber doch das Gefühl, Teil des sehr rudimentären gesellschaftlichen Lebens zu sein, was im wesentlichen aus Joggern, Hundehaltern und vergleichsweise wenigen Menschen besteht, die noch öffentlich sichtbar arbeiten.

Hysterische Einkäufer erwähne ich lieber nicht. Ich selbst habe das Einkaufen eingestellt, was eine Wohltat ist. Jetzt gilt es, den Kühlschrank leer zu essen, der Hund hilft dabei gern. Autonom sein, niemanden sehen, den man nicht sehen will – gar nicht so schlecht. Leider kann man auch die nicht sehen, die man gerne sehen würde, das ist wiederum gar nicht gut. Aber ich wollte ja von den Privilegien reden. Von den netten Nachbarn, die mich bei Bedarf unterstützen würden, von der Wohnung, die ich mag und in der man es aushalten kann. Und von den Chancen, die mir mein Beruf lässt, im Gegensatz zu den vielen Branchen, die so unmittelbar mit der Situation verbunden sind, dass es keinen Ausweg gibt. Was nutzt die beste Lohnfortzahlung, wenn der Job am Ende verloren geht?

Das Tier ächzt ein bisschen und legt sich in eine neue Position. Panini ist meine Ritterrüstung, sie macht mich unbesiegbar, auch jetzt. Mit ihr kann ich mir keine Krise vorstellen, die nicht zu überstehen wäre, sofern mir die Gesundheit bleibt. Sie ist eine Expertin für Pansen, bei Viren muss sie passen. Sie hat nicht den Hauch einer Ahnung, was da gerade über uns hinwegrollt. So sitze ich am Schreibtisch wie immer und sie liegt im Hundebett neben mir, auch wie immer. Das gibt mir eine Verschnaufpause zwischen den bangen und drängenden Fragen. Wie geht es jetzt weiter? Wann geht es weiter? Und wie geht es weiter, wenn es lange nicht weiter geht? Liebes Brötchen, was meinst du? Das Tier liegt mit dem Kopf auf einer seiner frisch pfotikürten Vorderpfoten und atmet leise und gleichmäßig. Ich könnte es als Meditationslehrerin vermieten. Als Fotomodel. Als Kekstesterin. Aber nein, vielleicht doch nicht. Die Ernährerin von uns beiden bin immer noch ich.

Vielleicht werde ich ein paar Lesungen online machen und wenn es euch gefallen hat, sendet ihr mir via Pay Pal einen Euro. Würdet ihr so etwas tun? Ich lese sehr gern. Das Tier könnte dabei weiterschlafen und vom Inhalt unseres Gefrierschranks träumen. Und ich könnte beide leichter wieder befüllen, Hund und Schrank.

Panini wacht auf und streckt sich. Bevor etwas in den Hund hineinkann, muss jetzt erst mal wieder etwas hinaus. Auch wenn die Welt in Fetzen hängt, auf ein paar Dinge ist eben noch Verlass.

 

Update: Inzwischen habe ich auf Facebook erste Lesungen gemacht:

Eine kleine Unterstützung könnt ihr unter PayPal.Me/paniniandme hinterlassen. Danke dafür!

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14 Kommentare

  • Antworten Eva 19. März 2020 um 7:09

    Liebe Heidi,
    Das ist so wahr. Auch in den schlimmsten Zeiten sind hundemenschen immer noch ein bisschen besser dran als andere.
    Haltet beide die Ohren strif.
    Viele Grüsse aus Bayern
    Eva

  • Antworten Miriam 19. März 2020 um 9:49

    Haltet die Ohren steif und bleibt gesund.
    Wir haben es mit Pferden und Hunden hier gut, weil wir so rausdürfen, auch wenn sonst nichts mehr erlaubt ist.
    Liebe Grüße
    Miriam

  • Antworten Hanne 19. März 2020 um 11:11

    Hallo Heidi, zufällig durch Facebook auf dich gestoßen und mal gleich abonniert! Werde mich in diesen entschleunigten Zeiten durch deine Artikel lesen.
    Und JA, ich würde mir gerne etwas vorlesen lassen und auch dafür bezahlen und zwar aus tiefstem Herzen.
    Ganz liebe Grüße von Wendy und mir

  • Antworten Christine 19. März 2020 um 16:10

    Sehr schön geschrieben und natürlich bin ich bei der Lesung dabei, gute Idee für den vollen Kühlschrank. Passt auf euch auf! Liebe Grüße mit Streicheleinheit, Christine

  • Antworten Sonja 20. März 2020 um 12:19

    Wunderbar unterhaltsam geschrieben, wie immer – vielen lieben Dank.
    Mein Euro wäre dir sicher.
    Bis dahin bleibt gesund und lasst es euch so gut wie möglich gehen.

  • Antworten Socke-nHalterin 20. März 2020 um 18:54

    Bleibt gesund und genießt Eure Situation. Ich denke auch, dass es uns noch gut geht und viele andere Menschen große Sorgen haben….

    Unser Urlaub wurde Montag abgesagt und brauchte tatsächlich eine ganze Weile, dies zu verkraften. Ich hatte mich so gefreut. ABER es geht uns gut, viel besser als vielen anderen. Also schweige ich und bin dankbar.

    Zudem weiß ich, dass ich trotz möglicher Ausgangssperre dennoch vor die Türe darf. Hurra, dem Socketier sei Dank.

    Viele liebe Grüße
    Sabine mit Socke

  • Antworten Julia Brunke 20. März 2020 um 22:05

    Liebe Heidi, herzallerliebstes Brötchen, ich genieße jede eurer Geschichten. Also nicht nur ich, Shiba-Inu-Mix Gizmo hört sie sich. Sehr geduldig an… meistens ist er dabei zusammengerollt und schnauft ganz leise und gleichmäßig… Ich gehöre mit einer Lungenerkrankung zur Risikogruppe… und eure Geschichten ist für mich eine wertvolle Ablenkung der Beklommenheit.
    Herzlich gern würde ich einer Lesung von dir lauschen… der kleine runde schnaufende R bestimmt auch… Bleibt tapfer, besonnen, gesund und optimistisch! Liebe Grüße aus Niedersachsen… Jula

  • Antworten Alexandra 21. März 2020 um 11:16

    Liebe Heidi,

    ich würde sehr gerne bei der Lesung als zahlender Gast teilnehmen, aber ich kann mir auch vorstellen, für Deinen Blog zu zahlen. Er amüsiert mich immer sehr.

    Bleibt alle gesund

  • Antworten Sonja 23. März 2020 um 12:22

    Hallo aus dem Norden!
    Wir würden auch mitmachen bei einem kleinen Obolus. Wie kommen wir an die Daten für Paypal?
    Vielen Dank für die wunderbaren Beiträge, sie sind immer eine Freude!

    Sonja und Günther mit Lucky (alle Tierheimhunde scheinen diesen Namen zu tragen…)

    • Antworten Heidi 23. März 2020 um 12:51

      Hallo Sonja, danke!! Ich habs oben aktualisiert ….

  • Antworten Jana 30. März 2020 um 3:19

    Lieben Gruss, ich schick dir einen kleinen Beitrag. Und grüsse Panini.

  • Antworten Karin 2. April 2020 um 8:20

    Hallo Heidi,
    gestern habe ich deine Lesung über das döddeln gehört und mußte schmunzeln, denn neben mir liegt der Weltmeister im döddeln., mein lieber Jack – Podenco-Mischling aus dem Tierheim, der nun schon im 2. Jahr bei mir zuhause ist. Durch ihn habe ich Entschleunigung gelernt. Seither gehen wir gemeinsam döddeln, denn ich habe als Ruheständlerin keinen Zeitdruck mehr und wir genießen jeden Tag. Für die schöne Geschichte habe ich einen kleinen Betrag auf dein Paypalkonto überwiesen.
    Liebe Grüße und alles Gute für Dich und Panini von Karin und Jack aus Bad Krozingen im schönen Markgräflerland.

  • Antworten Anna-Lisa 25. August 2020 um 14:59

    Liebe Heidi,
    Danke für diesen Beitrag und die Videos. In Coronazeiten habe ich mich oft alleine Gefühlt und mich nach Nähe gesehnt. Ich habe lange darüber nachgedacht mir einen Hund zuzulegen. Aber ein Hund bedeutet auch viel Verantwortung…
    Liebste Grüße Anna-Lisa

  • Antworten Ingeborg 27. Oktober 2020 um 15:35

    Liebe Heidi,

    Zufällig stieß ich vor einiger Zeit auf Ihren Blog, kaufte mir dann Ihr Buch von Hunden „die nach hinten schauen“ und bin sehr berührt von Ihrer Art, zu schreiben. Ich lebe seit mehr als 30 Jahren mit Hunden……zuerst waren es die großen (Mischlinge um die 50 kg), nun ist es ein kleiner Chihuahua-Dackel-Mischling von 7 kg aus spanischem Tierschutz. Ich wurde älter (jetzt 80J.), meine Lieblinge kleiner. Aber auch mit Rollator ist das Leben noch schön, wenn man so etwas Herzrwärmendes, wie meinen Liebling Timmy bei sich hat – oder ein Kätzchen. Und von denen lebten in den letzten 16 Jahren gleichzeitig sechs mit und bei mir (mit ausreichend Platz in einem Reihenhaus mit Garten).
    Bleiben Sie gesund – Sie und Panini 😊

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