Mahlzeit

Rotkäppchen und der böse Tierarzt.

2. Januar 2016

Hundebesitzer haben ganz eigene Feindbilder. Für viele steht noch vor der „Lügenpresse“ der „Lügentierarzt“ am Pranger, eine garstige Spezies, die nichts anderes im Sinn hat, als Hunde dauerhaft krank zu machen, weil nur so an ihnen verdient werden kann.

Als ich anfing, mich mit der Rohfütterung zu beschäftigen, stieß ich im Netz ständig auf Menschen, für die der Tierarzt ein schlimmeres Wesen als Godzilla zu sein scheint, ein von der Tierfutter- und Pharmalobby ferngesteuertes Monster. Godzilla 2.0 muss natürlich vor der Rohfütterung und ihrer speziellen Form, dem „Barfen“ (Biologisch artgerechte Rohfütterung) warnen, denn davon werden Hunde schlagartig gesund und es ist nichts an ihnen zu verdienen. Zumal das Monster häufig auch noch Trockenfutter vertreibt – ein echter Interessenkonflikt also.

Ich habe eine natürliche Abneigung gegen Verschwörungstheorien, ich kann da gar nichts machen. Mich gruselt sofort, wenn ich sie höre oder lese. Mit Tierärzten verhält es sich meiner Meinung nach wie mit allen Berufsgruppen. Es gibt qualifizierte Menschen und weniger qualifizierte. Es gibt kluge und weitergebildete und stumpfsinnige. Welche, die ihren Job gut machen und andere, die Vollversager sind. Das gilt für Klempner, Bäcker, Lehrer und Ärzte. Und Tierärzte.

Ein hoher Prozentsatz von ihnen lehnt tatsächlich das Barfen ab und empfiehlt dringend, beim Fertigfutter zu bleiben. Liegt das wirklich nur daran, dass alle Tierärzte korrumpierte Geldschneider sind? Was machen Tierärzte dann eigentlich mit ihren eigenen Hunden? Barfen sie die heimlich, weil die ja gesund bleiben sollen? Ich habe mich auf die Suche begeben, um das herauszufinden. Denn ich wollte mein Tier roh füttern, auf Basis von so viel Wissen wie möglich oder besser: nötig.

Tierarzt bei der Arbeit.  © Heggie - photocase.de

Tierarzt bei der Arbeit.

Ich habe vieles gelesen, von allen Seiten, aus allen Lagern. Denn als solche muss man die Meinungsmannschaften ja bezeichnen, so harsch und unversöhnlich der Ton oft ist. Es gibt wenige Ausnahmen der differenzierten Meinung, wie diese von Tierarzt Ralph Rückert, der in seinem Blog oft mit wohltuender Ideologiefreiheit argumentiert.

Nach langer Lektüre verstehe ich Godzilla. Ich habe mich durch Berge von gefährlichem Halbwissen in Foren geforstet und es ist offensichtlich, dass

  • es Menschen gibt, die, ohne sich zuvor eingehend damit beschäftigt zu haben, spontan anfangen, frei Schnauze zu füttern
  • es Menschen gibt, die glauben, ihren Hund besonders gut und nobel zu füttern, wenn er täglich ausschließlich mageres Rindfleisch und Hühnerbrust bekommt
  • Barf längst ein gutes Geschäft geworden ist und sich in vielen Fertigbarf-Mischungen, die man erstehen kann, hauptsächlich minderwertige Komponenten tummeln
  • viele Fertigbarf-Mischungen nicht im mindesten als Alleinfutter geeignet sind
  • viele Barfzusätze mit Jod und Mineralien überdosiert sind bzw. Heilkräuter zur Dauergabe enthalten, die im Bedarfsfall nicht mehr wirken können
  • es Menschen gibt, die ihren Hunden große Mengen schwerverträglicher Milchprodukte geben, in dem Glauben, damit den Kalziumbedarf zu decken
  • vieles, was bei der Barffütterung eingesetzt wird, minderwertig oder schadstoffbelastet ist (z.B. Knochenmehl aus unbekannten Quellen oder reines Fett aus Massentierhaltung, in dem sich deutlich mehr Schadstoffe befinden als in den deshalb oft gescholtenen Innereien oder grüner Pansen mit genmanipulierten Kraftfutterrückständen)
  • es Menschen gibt, die ihren Tieren gigantische Mengen Fleisch bzw. Protein füttern (häufig gelesen: zwischen 4 und 8% des Körpergewichts), da das Tier andernfalls abnimmt – anstatt den Energiegehalt des Futters zu überprüfen.
  • häufig pflanzliche, kaum wertvolle Öle wie z.B. Sonnenblumenöl als Energiekomponente eingesetzt werden, überhaupt große Mengen Öle gefüttert werden

Wenn Tiere aufgrund solcher Fütterungsfehler erkranken oder Mangelerscheinungen haben, landen sie beim bösen Tierarzt, der auf Nachfrage erfährt, das Tier sei „gebarft“ worden. Es ist ziemlich leicht zu erklären, dass Tierärzte so Vorbehalte entwickeln. Die gesunden Hunde sehen sie ja nie.

Sicher werde ich auch Fehler machen, so sehr ich auch versuche, sie zu vermeiden. Ich bin keine Ernährungsberaterin für Hunde. Aber zumindest mache ich nicht derart offensichtliche. Und der gesunde Menschenverstand wird mir helfen. Die Fachkenntnis der drei Buchautoren Swanie Simon („BARF“), Susanne Reinerth („Natural Dog Food“) und Nadine Wolf („Das Barf Buch“) wird mir helfen. Seit über vier Monaten bekommt Panini rohes Fleisch und gedünstetes, püriertes Gemüse. Ich werde sicher noch öfter darüber berichten. Ich weiß, dass es nicht viel zu sagen hat, dass es ihr schmeckt, sie es ausgezeichnet verträgt und ihr Fell glänzender, ihre Muskulatur kräftiger geworden ist. Aber ein schlechtes Zeichen ist es schon mal nicht. Mein Tierarzt ist ein Trockenfutter-Verfechter. In der Praxis gibt es sogar Frolic als Leckerchen, was ich Panini zuhause nie im Leben geben würde, weil ich es für Schrott halte. Aber neulich hat er uns ausdrücklich gelobt, wie gesund und gut Panini inzwischen aussieht. Ich habe ihm nicht verraten, wie ich füttere. Nicht, dass uns das Monster noch zertrampelt.

 

Bilder © Sadeugra – istockphoto.de, Heggie – photocase.de

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7 Comments

  • Reply Regina 2. Januar 2016 at 17:42

    Frolic beim Tierarzt gibt es hier auch!
    Ein gutes Zeichen, ein cleverer Tierarzt!
    Unsere Tierärztin würde den Hunden zuliebe sicher auch frische Grüne Pansenwürfel in die Dose packen,
    Ich kann verstehen, dass sie lieber die “Maggi- Würfel” nimmt. (So riecht Frolic zumindest)
    Ist ja auch hygienischer, gelle?
    Gruß an das Monstergeplagte Tier!

  • Reply Heidi 2. Januar 2016 at 17:51

    Ich finde, DAS wären gute Leckerchen. 🙂 https://barf-bio-shop.de/Leckerli/bio-taler-rind-gefluegel.html

  • Reply Genki & Co 2. Januar 2016 at 19:46

    Ganz meiner Meinung. Ich habe zwar auch noch nie einen Tierarzt getroffen, der “Pro-Barf” war, obwohl ich schon ziemlich viele durch habe, deshalb verteufle ich sie aber nicht alle oder denke, dass sie alle mit der Futtermittelindustrie unter einer Decke stecken (Wobei es sie leider tatsächlich auch gibt. Meine erste Tierärztin hatte für jedes Wehwehchen gleich das passende Royal Canin Futter zum Verkauf da, das gleich Mal ohne weitere Untersuchung als Allheilmittel dargeboten wurde). Ich habe aber schon so haarstreubende Fütterungskonzepte gehört, das es mich einfach nicht wundert, dass so viele Tierärzte gegen das Barfen sind. Das fängt bei deinen Beispielen an, bei denen Leute zu denken scheinen, wenn sie ihrem Hund täglich ein Filetstück aus dem Supermarkt hinlegen, dann sei das “Barf”, bis zu ganz extremen Fällen, bei denen man sich fragt, wie Leute überhaupt auf solche Ideen gekommen sind. Meine THP erzählte mir von einem Fall, bei dem sie zu einem Hund mit allen möglichen gesundheitlichen Problemen zur Hilfe gerufen wurde. Der Hund wurde “gebarft”. Als sie die genaue Fütterung erklärt haben wollte, stellte sich heraus, dass der Hund 6 Tage die Woche ausschließlich (!!) Knochen bekommen hat und ein Mal die Woche ein Stück Muskelfleisch. So sah die komplette Fütterung aus und das hätten die Leute Mal “so irgendwo gelesen”. Da kann ich nur noch fast verzweifelt den Kopf schütteln. Klar gibt es auch unter den Barfern unterschiedliche Ansichten, gerade bei so Dingen wie “Getreide oder nicht Getreide”, “Milz und Niere ja/nein”, “Zählt Herz zu Muskelfleisch oder Innereien”. Aber das sind ja alles in Relation gesehen doch eher feine Unterschiede. Und auch wenn man, je nachdem zu welchem Buch über das Thema man greift, mit etwas unterschiedlichen Modellen konfrontiert wird, habe ich noch kein Buch gesehen, dass sagt, man könnte nur Knochen füttern, die Knochen ohne jeglichen Ersatz einfach weglassen, komplett ohne Ersatz auf Innereien verzichten und ähnliches. Solche gravierenden Fehler, wie manche Leute sie machen, habe ich einfach noch in keinem Barf-Buch je gesehen und das sollte doch das Minimum sein, wenn man anfängt zu Barfen: Man kauft sich doch mindestens ein Buch und liest sich in das Thema ein. Aber scheinbar machen das sehr viele Leute einfach nicht und es wird irgendwie auf gut Glück drauf los gebarft. Und dann verstehe ich völlig, Tierärzte dagegen sind – Weil sie sich einfach nicht darauf verlassen können, dass es die Leute richtig machen.
    Was ich in diesem Zusammenhang übrigens auch nicht hilfreich finde, sind zahlreiche Artikel im Internet, die darauf hinweisen, man solle doch nicht so ein “Brimborium” ums Barfen machen und wenn man abwechslungsreich Mal dies und Mal das füttert, dann würde alles schon stimmen. Das sehe ich gerade für Anfänger ganz kritisch. Klar, wenn man eine gewisse Zeit gebarft hat und einen guten Überblick hat, was der Hund so alles braucht, dann kann man auch Mal aufhören abzuwiegen und sich etwas auf sein Bauchgefühl verlassen. Aber dieses Bauchgefühl muss man sich eben auch erst Mal antrainieren, denn die gesunde Fütterung von Hunden ist keine intuitiv angeborene menschliche Eigenschaft.

    • Reply Heidi 2. Januar 2016 at 20:16

      Was für ein gruseliges Beispiel! So etwas ist mir wirklich ein Rätsel. Das mit dem Brimborium kann ich allerdings auch wieder verstehen, denn, wenn man so liest, dass Leute versuchen, mikrogrammgenau so etwas wie den Mangan-Bedarf zu treffen, da greif ich mir auch an den Kopf. “Bedarf” ist ja ein ganz eigenes Kapitel, das Laien ganz bestimmt nicht mit der Feinwaage lösen können, dafür ist das Ganze viel zu komplex und von unzähligen Faktoren abhängig. Da muss man sich dann schon auch ein bisschen drauf verlassen, dass es die Ausgewogenheit und Abwechslung im Rahmen des Beutetierkonzepts richtet. Sonst wird man ja verrückt. Und ich finde das Argument, dass man seinen eigenen Mangan-Bedarf ja auch nicht errechnet und zu treffen versucht, schon legitim.

  • Reply Ralf 21. Juni 2018 at 18:02

    Wenn es jemand mit Verstand macht und sich entsprechend einliest ist Barf super. Wenn man allerdings sein Tier Mangelernährt, dann eben weniger und die Mangelernährer sind da eben in der Überzahl… 🙁

  • Reply Karina 2. Januar 2019 at 15:33

    Es gibt viele Hunde, die werden mit abwechslungsarmer Fütterung und “Billigfutter” steinalt -und das bei normalem Gesundheitszustand. Andere wiederum benötigen mehr Ausgewogenheit oder vertragen nicht alles. Barf ist nur eine Möglichkeit dazu, das Tier ausgewogen zu ernähren.

  • Reply May 11. Juni 2020 at 11:24

    Liebe Heidi,
    ich finde es ganz erfrischend deinen Blog zu lesen, wenn auch recht spät darauf gekommen…. ganz meiner Meinung, das mit den kompetenten und inkompetenten Vertretern aller Berufsgruppen. Und vor allen Dingen, dass die Tierarztmonster ja nur die kranken Tiere in die Praxis bekommen, also auch die, die vom falschen Füttern, wie auch immer, krank geworden sind. Kein Wunder, dass sie diesen Hundehaltern eher Trockenfutter empfehlen und ihren Hunden oft auch selbst füttern… ich kenne ein paar mit gesunden Trockenfutter-Hunden.
    Mal ein Frolic als Leckerchen (gibts bei mir nicht) alle Jubeljahre beim Tierarzt finde ich nicht schlimm, zumal unsere Hunde in der Regel nicht wählerisch sind…. sie fressen, was sie so finden…. von angegammelten Mäusen bis zum Erbrochenen von der letzten Party beim Nachbarn… *grusel*. Es findet alles in unseren menschlichen Köpfen statt.
    Bei mir gibts als Grundlage ein hochwertiges Trockenfutter (da wechsle ich schon mal die Sorten und beobachte, ob sich beim Hund was ändert… so wähle ich dann die Futter, die er öfter oder nicht wieder kriegt) und zwischendurch regelmäßig bis unregelmäßig mal eine selbstgerührte Rohkostpampe und frisches, selbst erlegtes Wildfleisch mit Knochen und Fell und Hufen (nein, auf keinen Fall natürlich W.-schwein!).
    Mein Hund (7J.) sieht den Tierarzt bisher nur beim obligatorischen Impfen und ich hoffe auch das bleibt so.
    Ich wünsch euch allen eine gesunde Zeit mit euren Fellnasen !!

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